Derzeit gibt es zwanzigtausend Bienenarten mit vielfältigen Spezialisierungen. Davon gibt es jedoch nur sieben Honig produzierende Arten der Gattung Apis mellifera (Apis ist lateinisch die Biene und mellifera bedeutet die Honigtragende. Diese kleine Geschichte aus der Sicht der Biene gibt euch einen kurzen Einblick in ihre Bienenwelt.
„Hallo,
ich nehme gerade ein Sonnenbad, um mich von der letzten Pollendusche beim Honig sammeln zu erholen.
Heute ist wieder mal ganz schön was los bei uns im Bienenhaus. Ich habe so viele Schwestern und Brüder, das ich sie gar nicht zählen kann. Ich höre oft, das meine Imkerin etwas von vierzig bis fünfzigtausend erzählt, wenn wieder mal ein interessierter Besucher den Kopf hinter dem weißen Hut zu uns hineinsteckt und sie unsere Räume aus den Angeln hebt. Manchmal vertauscht sie die Kinderstuben und sorgt für Unruhe, denn wir haben danach ganz schön den Kopf voll, unsere eigene Ordnung wieder herzustellen.
Ich bin eine Sommerbiene und darf nun endlich raus aus unserem dunklen, warmen Bienenstock.
Vor fünf Wochen bin ich geschlüpft. An diesen Tag kann ich mich noch gut erinnern. Als ich es endlich schaffte, mich durch den Wachsdeckel zu knabbern und meine Fühler rausstreckte, dachte ich, ich wäre im falschen Film, denn über mir ging es zu, wie auf einer Autobahn ohne Verkehrsführung. All meine großen Schwestern liefen aufgeregt hin und her, krabbelten über mein Gesicht, trampelten auf meinen rechten Fühler und interessierten sich überhaupt nicht für mich.
Keine der beschäftigten Arbeiterinnen hatte Zeit mich heraus zu ziehen oder mir dabei zu helfen, mich aus dieser engen Wabenzelle zu befreien. Als sogenanntes „Grauchen“ wackelte ich die ersten beiden Tage noch etwas hilflos über unser Brutnest, denn meine Flügel klebten noch zusammen und mussten erst trocknen.
Ab meinem dritten Lebenstag übernahm ich als sogenannte Stockbiene die Aufgabe, sämtliche Brutzellen zu putzen. Mit der Entwicklung meiner Futtersaftdrüsen fütterte ich die folgenden drei Tage die älteren Larven mit meiner „Bienenmilch“, denn an die jungen, sehr kleinen Larven dürfen wir Neulinge noch nicht ran. Ist wohl zu kniffelig, meinte meine Vorarbeiterin. Wenn ich meinen Job gut mache, dürfe ich wohl auch die jüngsten Larven übernehmen. Ich strengte mich an und durfte dann tatsächlich ein knappe Woche die Babys versorgen.
Im Alter von zwei Wochen sorgte ich mit meinen Wachsdrüsen für Nachschub an Bienenwachs und half beim Wabenbau, denn wir schaffen täglich neuen Raum, bauen aus und um. Und wenn mal wieder unser Bauvorhaben etwas größer war, bildeten wir eine Kette oder erstellten Brücken, um an die obere Kante der Holzrähmchen zu gelangen. Nebenbei saugte ich gesammelten Nektar der anderen Bienen in meine Honigblase auf und übergab es der nächsten Arbeiterin oder legte den Nektar direkt in der Vorratszelle ab.
Als ich drei Wochen alt war, durfte ich neben den anderen Wächterbienen die Wache am Flugloch übernehmen und schon mal ab und zu um den Bienenstock herumfliegen, um die Gegend zu erkunden.
Hier draußen ist es großartig, wenn ich auch nicht so wirklich zur Ruhe komme, da ich pro Tag bis zu zweitausend Blüten anfliege. Ich muss diese Zeit nutzen, auch wenn es gefährlich für mich ist, denn viele Jäger sind unterwegs, welche mich fressen oder vertreiben wollen.
Meine Schwestern aus den Nachbarzellen hat es vorgestern erwischt. Sie saßen mitten in der Obstblüte, als sie von der Insektizidwolke erfasst wurden. Leider haben sie es nicht überlebt. Ich werde jedenfalls auf mich aufpassen, damit ich die letzten zehn Tage meines Lebens viele Pollen und Nektar einsammeln kann.
Früher, bevor uns der Mensch entdeckte, sollte es wohl so gewesen sein, das wir in hohlen Baumstämmen oder anderen Höhlen wohnten. Einige Geschwistervölker unserer Art leben auch heute noch auf diese Weise in solchen Unterkünften oder ziehen dort ein, wenn sie ausgeschwärmt sind. Doch wenn sie niemand entdeckt oder einsammelt, werden sie nicht lange überleben können.
Denn vor etwa zwanzig Jahren reiste eine Milbe Namens Varroa von Asien nach Europa ein. Sie ernähren sich von unserem Blut und hängen wie Zecken an unseren Körpern oder legen ihre Eier in die Kinderbetten unserer Larven hinein.
Im Spätsommer werden diese Milben durch unsere Imker mit einer Ameisensäure vernichtet, was mächtig anstrengend für viele meiner Artgenossinnen ist. Manche schaffen es nicht durchzuhalten und verlassen unser Zuhause, um die anderen nicht weiter zu belasten. Übrigens ist das bei uns immer so. Alte oder kranke Bienen verabschieden sich und verlassen den Bienenstock, wenn sie spüren, das es mit ihnen zu Ende geht.
Meine Imkerin rührt diese Tatsache immer wieder aufs Neue. Letztens sammelte sie einige meiner unterkühlten Geschwister auf, um sie zu wärmen. Nachdem sie sich in ihrer Hand erholten, flogen sie fort. Die letzte schaffte es allerdings nicht, die geradlinige Abflugroute einzuhalten und verflog sich hinter dem Augenglas meiner Imkerin.
Total panisch, weil sie nicht wieder herausfand, stach sie zu. Ich sah sie noch taumelnd zur Erde hinabsegeln. Die arme wird es nicht geschafft haben, denn andere Säugetiere oder Menschen zu stechen bedeutet unseren sicheren Tod. Unser Stachel verfängt sich mit seinen Widerhaken in der Haut oder der Kleidung und wird uns bei der Flucht aus dem Körper gerissen.
Viele Menschen wissen gar nicht, das wir nur im Notfall zustechen, wenn wir uns eingeengt oder bedroht fühlen. Ansonsten sind wir friedliche Wesen und interessieren uns nur für süßen Nektar und Honigtau. Was ist Honigtau?
Auf vielen Blattgewächsen und Nadelbäumen leben die Blattläuse. Sie ernähren sich von Pflanzensäften und sondern den überschüssigen Zucker aus ihrem After aus. Klingt ekelig? Nein, denn es ist nicht vergleichbar mit den Ausscheidungen der Menschen und Tiere. Deren Exkremente sind leckere, süße Pflanzensäfte aus denen wir den sogenannten Blatthonig produzieren können.
Ich werde jedenfalls jeden Augenblick meines Lebens nutzen, um ganz viel Süßes einzusammeln. Wenn ich Glück habe darf ich noch ein paar Tage leben und fleißig für unsere Nachkommen sorgen.
Ich hoffe, das unsere Imkerin auch weiterhin für uns da ist, wenn’s eng wird und sie uns füttert, wenn sie einen Teil unseres Honigs entnimmt. Der Honig, der so kostbar ist!
Die Zeiten sind vorbei, als es noch Nektar in Hülle und Fülle gab, weil es leider immer weniger Pflanzen für all meine verwandten Insektenarten gibt.
Hoffentlich wird sich das bald wieder ändern!
Es grüßt euch eure Sommer-Honigbiene. Wenn ihr meine Geschichte lesen werdet, habe ich bereits meine Lebensaufgabe erfüllt.
Ich habe dafür gesorgt, das es weiter geht.“
Eine Sommerbiene wird etwa drei bis sechs Wochen alt. Die Winterbiene darf länger leben. Etwa fünf bis 7 Monate. Manche auch länger. Zu ihren Hauptaufgaben gehören, die Königin zu versorgen, ihre Geschwister zu wärmen und das Nest in Ordnung zu halten, damit im nächsten Frühjahr eine neue Generation heranwachsen darf.
Unsere Aufgabe ist es, alle Insektenarten aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten und für ihre Lebensgrundlagen zu sorgen. Wir können Lebensräume schaffen, in dem wir Blühwiesen pflanzen, Insektenhotels anbringen und vor allem verantwortungsbewusst mit Insektiziden umgehen und nach Möglichkeit völlig darauf verzichten und biologische Alternativlösungen anwenden.
Wir brauchen diese kleinen Bestäuber um selbst zu überleben!
Habe soeben über das Leben einer Sommerbiene sehr Interessantes erfahren. Danke für den sehr lieb geschriebenen Beitrag. Weiter so!
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