Können diese Hände lügen?

Gerade habe ich mir meinen Lieblingsplatz eingerichtet und sitze mit einer Tasse Feierabend-Kaffee in der Abendsonne. Während mein innerlicher Alltagsmotor langsam herunterfährt, blicke ich auf meinen Kaffepott, welchen ich mit beiden Händen umschließe, um mich ein wenig daran aufzuwärmen.

Ich betrachte seufzend meine Hände und höre mich sagen: „Ihr könntet auch etwas mehr Zuwendung gebrauchen – Handcreme wäre auch mal nicht schlecht! Allerdings kann ich euch damit auch nicht straffer und jünger aussehen lassen!“

Noch bevor ich beginne, mich darüber zu ärgern, lasse ich meine Gedanken beim Anblick dieser treuesten Weggefährtinnen fliegen, denn kein anderes Körperteil sagt über unser Leben so viel aus, wie unsere Hände.

Wenn ich ehrlich bin, vernachlässige ich meine Haut schon seit einer gefühlten Ewigkeit. Meine Cremetuben und Körperlotionen, welche ich mir immer wieder aufs Neue alibimäßig zulege, kommen kaum zum Einsatz und sind dem Austrocknungstod geweiht.

Ich bewundere des öfteren die schönen, gepflegten Hände und Füße meiner Freundinnen und stelle mir in jenen Momenten immer wieder die Frage, warum ich die für mich wichtigsten Elemente meines Körpers so stiefmütterlich behandele?

Schließlich seid ihr es – meine geliebten Hände,

die mir schon mein ganzes Leben zur Verfügung stehen. Ihr habt diese Zeilen allemal verdient! Auch wenn der Text manchem Leser vielleicht etwas merkwürdig vorkommen wird, so ist es mir heute ein innerliches Bedürfnis, euch in den Mittelpunkt zu rücken, denn ich musste auf euch niemals verzichten.

Bis auf wenige Verletzungen, welche ich euch durch Überbelastung zufügte, haltet ihr stets durch und setzt all meine Ideen und Vorhaben um. Ohne euch wäre ich zwar nicht verloren, jedoch unglaublich eingeschränkt in all meinem Tun und Handeln. Und aus diesem Grund versuche ich nun meine Wertschätzung ein paar wenige Zeilen zu verpacken:

Ihr stützt und fangt mich, wenn ich strauchel‘,
gebt mir Halt und krallt euch fest, wenn ich mich mal wieder hetz‘.
Durch euch konnt‘ ich die Welt erfahren, wie sie denn nun wirklich ist.
Mit euch tasten und auch fühlen, all die Liebe spüren und berühren.
Durch euch geben, teilen, schenken und auch lenken.
Darf mich in die Lüfte schwingen und
mit euch ringen, um des lieben Friedens Willen.
Malen und an leck’ren Speisen laben,
kommt hier prompt nun auch zum tragen.
Im Ärger auf den Tisch auch hau’n
konnte immer auf euch bau’n!
Durch euch durft‘ ich begreifen, was wirklich zählt und wichtig ist!
Mit euch spielen und verlieren,
animieren, musizieren, dirigieren
graben, pflanzen und auch tanzen.
Viele schöne Dinge zaubern
oder temperamentvoll plaudern.
Tod und Leben durch euch spüren,
ließ in mir die Liebe führen.

Betrachte ich nun meine Hände, sehe ich nicht mehr meine trockene, schlaffe Haut, sondern ich blicke auf ein ehrliches Spiegelbild vieler ereignisreicher Lebensjahre zurück, dessen Spuren durchaus zu sehen sein dürfen.

Es hat bei mir eine Weile gedauert, das „älter werden“ zuzulassen und ich befinde mich noch immer auf dem Weg, gedanklich all meine Leistungen und Erfahrungsschätze in den Vordergrund zu rücken.

Auch wenn ich an mir laufend neue Zeichen der Reife entdecke, so hat diese Lebensmitte doch auch seine Vorteile.

Frauen in meinem Alter wissen vielleicht immer noch nicht genau, was sie wollen, aber sie können definitiv selbstbewusst mitteilen, was sie nicht mehr wollen und stehen dazu!

Solltet ihr euer Äußeres irgendwann einmal selbstkritisch betrachten, dann führt euch innerlich vor Augen, welche Wegstrecke bereits erfolgreich hinter euch liegt!

In diesem Sinne wünsche ich euch ein friedvolles Osterfest!