Ich heb ab!

Ich schließe die Haustür, atme tief durch und nehme die mich umgebende Stille ganz bewusst wahr. Ich höre nichts, außer das morgendliche Vogelgezwitscher, denn es ist kurz nach sechs Uhr.

Noch vor wenigen Minuten wirbelten meine drei Männer im Abreisefieber durch die Bude, warfen einen letzten Kontrollblick in die selbst gepackten Rucksäcke und verabschiedeten sich jubelnd von mir, bevor sie ins lang geplante Männerwochenende starteten. Sie werden sich für zwei Tage unter die Menschenmassen im Tropical Island mischen und dort mächtig Spaß haben. Für sie ist es das absolute high light.

Für mich wäre dieses all inklusive Programm eher eine Bestrafung, da ich mich momentan nach absoluter Ruhe sehne. Um so mehr freue ich mich über die kommenden Stunden der Auszeit, in denen ich mir vornehme, mich nur den Beschäftigungen zu widmen, welche mir richtig gut tun. Vielleicht kommt dir das auch sehr bekannt vor?!

Mit dem Frühlingserwachen wächst nicht nur die eigene Aufgabenliste heran, sondern gleichzeitig auch meine schlechte Laune, weil dadurch keine Zeit für mich übrig bleibt. In den vergangenen zwei Wochen gelang es mir kaum, nach meiner Wohlfühl-Modus-Mentalität zu leben.

Die innere gute Laune-Maus kehrte mir den Rücken zu und öffnete meinen unangenehmen Charaktereigenschaften sämtliche Türen, was niemanden im meinen Umfeld nützte. Ich drehte mich immer weiter die Stressspirale hinauf und entfernte mich mehr und mehr vom eigenen, inneren Ruhepol.

Was ist schief gelaufen?

Meine Sichtweise auf die Dinge verschob sich total. Anstatt mich über meine Teilerfolge und erledigten Aufgaben zu freuen, beschäftigten mich ausschließlich die noch offenen Punkte auf meiner to do Liste. Ich hatte den Eindruck, das diese anstatt weniger, immer mehr wurden und ich nix mehr auf die Reihe bekam und ich im wahrsten Sinne darin unterginge.

Als ich gestern stundenlang auf dem Stuhl meines Lieblingsfriseursalons saß, nutzte ich die Zeit, um mir gegenwärtig folgendes vorzustellen und dazu möchte ich dich gerne gedanklich mitnehmen.

Ich stehe auf einer Blumenwiese in der Nähe meines Heims und verliere langsam den Boden unter den Füßen und schwebe wie ein, mit Helium gefüllter Luftballon nach oben. Ich hebe ab und nicht nur die Umgebung unter mir wird winzig klein, sondern es verschwinden auch sämtliche akustische Geräusche, so dass ich mich schwebend, weiter atmend, virtuell in einem luftleeren Raum bewege.

Ich genieße die Leichtigkeit und betrachte glückselig von oben die Schönheit der Natur, denn sämtliche Fehler unseres System sind aus dieser Entfernung so gut wie unsichtbar. Ich steige höher und höher. Ich schwebe. Nur ich. Alleine – ruhend mit und in mir selbst – immer höher, immer weiter.

Geblendet vom Sonnenlicht spüre ich neben der in mir aufsteigenden Kälte auch meine zunehmende Angst, alles und mich selbst verlieren zu können.

Noch bevor sich dieses Gefühl ausbreiten kann, spüre ich einen kräftigen Ruck an meinem Fußgelenk. Erst jetzt entdecke ich den seidenen Faden, der mich festhält.

Stillstand – nichts passiert! Ich hänge zwischen den Welten fest.

Jetzt – in diesem Augenblick habe ich die Möglichkeit, alles aus der Entfernung zu betrachten, mich zu hinterfragen, die vergangene Zeit gedanklich an mir vorüberziehen zu lassen und mir meiner kleinen Etappenziele bewusst zu werden.

Aus dieser Position heraus kann ich erkennen, das es viele meiner, mich ärgernde Begebenheiten einfach nicht wert waren, mich darüber aufzuregen und das es die pure Energieverschwendung war, mich in Konflikte hinein zu steigern, anstatt mich wieder zu erden.

Ich kann andere Menschen nicht ändern. Es liegt nicht in meiner Hand. Nur ich persönlich kann dafür sorgen, mich selbst wohl zu fühlen. Nicht die anderen.

Meine pubertierenden Jungs sind nicht in der Lage eine Zickenmama zu kompensieren, denn sie haben genug mit sich selbst zu tun. Auch wenn es mich noch so sehr davor graut, ein zweites Mal heranwachsende Jugendliche angemessen zu erziehen, so kann ich vor dieser Verantwortung nicht fliehen.

Das ist erst der Anfang von weiteren, kräftezehrenden Jahren und ich hoffe auf einsichtige, helle Momente in beiden Lagern, damit wir einigermaßen harmonisch gemeinsam die bevorstehenden Hürden meistern werden.

Ich werde mir bewusst über meinen körperlichen Zustand und freue mich alleine über die Tatsache, das ich gesund sein darf, denn es gibt einige lieb gewonnene Menschen in meinem Umfeld, denen es weniger gut geht und die es verdient hätten, eine Chance für weitere Lebensetappen zu erhalten.

Den Blick von hier oben (siehe Beitragsbild) verdanke ich einem wunderbaren Vater und Großvater, dem ich auf diesem Weg meine Hochachtung und meinen Dank ausdrücken möchte. Dieses Erlebnis werde ich niemals vergessen.

Wenn ich nun mein freies Wochenende nicht für mich nutze, bin ich echt selbst Schuld! Jetzt heißt es, den Putzeimer und Staubsauger zu ignorieren und mich meinem leeren Energietank zu widmen.

Es scheint die Sonne am blauen Himmel! Bessere Voraussetzungen kann es nicht geben. Es liegt an mir das beste daraus zu machen.

Ich spüre einen sanften Zug an dem mich haltenden, seidenen Faden. Langsam nähere ich mich unserer Mutter Erde – alles wird klarer, es wird wärmer und meine Füße berühren gedanklich meinen Ausgangspunkt. Ich schreite über die duftende Blumenwiese und wende mich wieder der Realität zu.

Was macht mich glücklich und schenkt mir Kraft?

Die Natur, meine Bienen, leckeres Essen und Bewegung an frischer Luft.

Ich beginne jetzt mit der Erweiterung meiner Bienenbeuten (Häuser), danach grabe ich ein wenig im warmen Erdboden und sorge für eine saftige Blumenwiese vor unserem Haus, welche in wenigen Wochen unsere Herzen höher schlagen lässt.

Und abends werde ich mit lieben Freunden lecker essen und neue Whiskey-Sorten testen. Mein Programm klingt vielversprechend.

Ich muss mich nur noch daran halten.  😉

Was macht dich glücklich? Womit füllst du deine Energiereserven wieder auf?