Blitzlicht des Glücks

Mit einer Taschentuchbox und mit einem fetten Becher Eis bewaffnet tappte ich die Treppe hinauf und zog mich ein wenig wehmütig in meine kleine Schreibecke zurück.

Eine Stunde zuvor betrat ich unseren Hausflur. Während ich meine Jacke an die Garderobe hing, fiel mir in meinem Spiegelbild die Tränen verschmierte Wimperntusche auf. Seufzend flüsterte ich mir zu: „Was war dies nur für ein Tag!“

In der entspannten „Stellung des Kindes“ löste sich unaufhaltsam all mein Stress der letzten Stunden und ich konnte meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Wie gut, dass ich meine Stirn bei dieser Yoga-Übung in die Matte presse. So kriegt es wenigstens keiner mit!, dachte ich bei mir. Während ich so zusammengekauert auf dieser Matte hockte, ließ ich die zurückliegenden Stunden gedanklich noch einmal an mir vorüberziehen.

Schon heute Morgen freute ich mich auf das bevorstehende Ereignis. Ein Treffen mit meiner einzigen Tochter stand an. Seit kurzem befindet sie sich wieder in Deutschland und gestern verabredeten wir uns für ein klitzekleines Zeitfenster am Berliner Hauptbahnhof, bevor sie mit ihrem Lebensgefährten in den nächsten Zug einsteigen musste. In ihrer Mission als https://ozeankind.de stand heute ein weiterer, wichtiger Termin an, der so gegen fünf Uhr nachmittags erledigt sein sollte.

Dies deckte sich zeitlich mit der Schließung unserer Kindertagespflege, so dass ich mich kurz vor fünf mit meinen jüngsten Söhnen samt Hund, im Eiltempo in Richtung S-Bahn bewegte. Am Bahngleis angekommen blieben uns nur noch zwei Minuten, um die Fahrkarten zu ziehen, doch Dank einer netten Unterstützung hechteten wir noch rechtzeitig in den Wagon. Ich dachte noch kurz an das zurückgelassene, heimische Chaos bevor ich mich voll und ganz auf das bevorstehende Wiedersehen konzentrierte. 

Meine Jungs und ich konnten es kaum noch abwarten und wir freuten uns riesig darauf, sie endlich wieder in unsere Arme zu schließen. In den letzten Monaten beschränkte sich unsere Kontaktpflege nur über die Medien, aber gleich sollte dies anders sein. Es zählte jede Minute.

An der Station Berlin-Friedrichstrasse stiegen wir sofort in den nächsten Zug, Richtung Hauptbahnhof, um dort umgehend in die tiefer gelegene Etage zum italienischen Vapiano zu eilen. Ich glaube, das wir wegen unseres Tempos auf einige Passanten wie Flüchtende wirkten.

Endlich im Restaurantbereich angekommen, blieben uns noch ganze fünfunddreißig Minuten, bevor sich unsere Wege wieder trennten. Ich wusste dies bereits vorher und konnte mich seelisch darauf einstellen. Das dachte ich zumindest…

Denn wie es eben so in einer Familie ist, möchten auch die jüngeren Geschwister ihre Freude kundtun, sich unterhalten und von sich erzählen. Ich saß, grinsend wie ein Honigkuchenpferd am Tisch und freute mich einfach nur darüber, fast alle meine Kinder um mich haben  zu dürfen und realisierte gar nicht, wie schnell uns die Zeit davon lief.

Wir begleiteten die beiden zum Bahnsteig und dort tauten die kleinen Brüder erst richtig auf, denn alle Ereignisse mussten noch in die letzten fünf Minuten gepackt werden, inklusive einer öffentlichen Tanzeinlage des größeren Bruders.

Im Grunde beschränkte sich unser Treffen auf zwei Umarmungen, mein begeistertes Zuhören während ihren Ausführungen zum heutigen Termin und kurz darauf sah ich sie dann auch schon wieder winkend ins Abteil hüpfen. Es fehlte selbst für Abschiedstränen die Zeit.

Zügig gingen wir zum gegenüber liegenden S-Bahn Gleis, um die beiden vielleicht noch einmal durch die Fenster des Zuges sehen zu können. Mit langen Gesichtern stellten wir jedoch fest, das der IC in die entgegengesetzte Richtung abfuhr.

Auf dem Rückweg fühlte ich mich wie durch einen Mixer gerührt. Völlig erschlagen stand ich im S-Bahn-Wagon und stocherte gedankenverloren in meiner Nudelbox to go herum. Bei Einfahrt in unseren Zielbahnhof regnete es und mir blieben noch ganze zwölf Minuten, bis mich meine Freundin zum Yoga abholte.

Dort ließ meine Konzentration wirklich zu Wünschen übrig. Einige Übungen bekam ich nicht mal mit, da meine Gedanken weit hinterher hinkten. Erst in der besagten Entspannungsübung wurde mir unser Wiedersehen im Zeitraffer erst richtig bewusst und stimmte mich traurig.

Den folgenden Satz erwähne ich häufig in meinen Beiträgen: Genieße den Augenblick!

In gewisser Weise habe ich das auch umgesetzt, jedoch wollte mein unterbewusstes Mutterherz eigentlich viel mehr! Es tröstet mich sehr, das sich meine Maus noch eine ganze Weile in Deutschland befindet, bevor es für die beiden weiter geht. Außerdem freue ich mich heute schon riesig auf unser bevorstehendes Mama-Tochter-Wochenende im Spätfrühling.

Und spätestens dann werden wir uns beide genießen, wie auch auf meinem heutigen Beitragsbild, welches wir kurz vor ihrem Projektstart in einem Fotoshooting festhielten.

Nur wir beide. Ein seltener Augenblick und deshalb um so kostbarer!

Ich freue mich auf dich – mein „Tochterherz“!