Seit Jahrzehnten sprechen wir immer wieder von der Emanzipation der Frau, was sie leisten müssen, um in der Männerwelt zu bestehen, in welchen Gesellschaftsbereichen sie problemlos ihre Plätze einnehmen durften und wie sie, trotz eines Vollzeitjobs, das tägliche Familienpaket flexibel schnüren.
Durch das Umdenken unserer Mütter wurden wir größtenteils zu selbständigen und selbstbewussten Frauen erzogen, damit wir uns da draußen in der Männerwelt behaupten können. Frei nach dem Motto „Brave Mädchen kommen in den Himmel und böse Mädchen überall hin“! In den vergangenen Jahren wuchs bei vielen Damen auch das Bewusstsein, immer einen Tick mehr leisten zu müssen, um tatsächlich anerkannt zu werden.
Das Ergebnis von zwei vergangenen Generationen ist eine stetig wachsende Fraktion an weiblichen Multitalenten, welche neben ihren erlernten Berufen Fußböden verlegen, Möbel auf- und abbauen, Reparaturarbeiten in Haus und Garten selbst erledigen und begeistert ursprünglich männlich geltenden Hobbys nachgehen.
Heute lassen sich Mädchen schon im Grundschulalter nichts mehr von ihren männlichen Wegbegleitern sagen. Sie genießen zwar ab und an das alte Klischee, dass sie zu dem schwachen Geschlecht gehören und doch nutzen sie dies gegebenenfalls auch zu ihrem Vorteil aus.
Ich versuche meine Söhne dahingehend zu erziehen, dass sie mit den weiblichen Wesen bitte pfleglich, behutsam, rücksichtsvoll und aufmerksam umgehen mögen. Grundsätzlich bin ich gegen Gewalt und erst recht gegen das körperliche Kräfte messen gegenüber Mädchen und diesen Standpunkt vermittele ich seit über zwanzig Jahren.
Was soll ich jedoch antworten, wenn meine Söhne mir wütend erzählen, dass sie wieder einen Anpfiff der Lehrer einkassierten, weil sie sich lautstark gegen die Mädchenfraktion wehrten, nachdem sie von den selbigen ins Schienbein getreten wurden? Wohlbemerkt unter dem Tisch, so dass es niemand sah.
Vielleicht sollte ich meine Sichtweise auf die heranwachsende Frauengeneration neu überdenken? Wenn ich ehrlich bin, gehöre ich ebenfalls zur Gemeinschaft des „sich nichts sagen oder vorschreiben wollendes Individuum Frau“. Wie ich schon in anderen Beiträgen erwähnte, zähle ich zu den unbequemen Lebensgefährtinnen.
Auch wenn ich weiterhin an meiner Charakterschwäche arbeite, so passiert es noch häufig, dass ich meine Krallen ausfahre, sobald ich nur das Gefühl habe, zurecht gewiesen zu werden. Ich selbst mache es meinem Mann nicht leicht, seine evolutionäre Männerrolle ausleben zu dürfen.
Wie soll er mein Retter und Beschützer sein, wenn ich ihm immer wieder signalisiere, dass ich alles allein schaffe, umsetze und ihn nicht brauche? Und wenn dann auch noch mein Stolz hinzukommt, ist das alles andere, als eine günstige Voraussetzung für die gewünschte, männliche Unterstützung jeglicher Art.
Viele von uns Frauen sehnen sich nach wie vor nach den heranreitenden Rittern, welche uns retten und uns mit ihrem Schwert beschützen und verteidigen, welche uns verführen und auf Händen tragen, unsere Wünsche von den Augen ablesen und uns als ihr größtes Gut behandeln. Doch ist dies mit der hiesigen westlichen Frauenwelt noch realisierbar?
Heute würde es sich wohl eher so abspielen, dass sich manche der weiblichen Multitalente selbst mit Schwertern bewaffnet in die Pferdesättel schwingen würden, um sich kreischend unter den Befreiungskampf zu mischen.
Natürlich nicht ohne gleichzeitig so manchem Ritter mitzuteilen, was er denn besser machen könne und worauf er zu achten habe. Sollte sich der edle Herr widersetzen, würden sie an ihm vorbeireiten und vielleicht letztendlich sogar die Führung übernehmen.
Mädels – Heute ist unser Tag!
Der vor 108 Jahren ins Leben gerufene, internationale Frauentag. In Berlin ist es diesjährig zum ersten Mal auch ein Feiertag. Die Urheberinnen der sozialistischen Organisationen schoben eine Welle der Veränderung in Gang. Die Emanzipation der Frau setzte sich langsam, Stück für Stück in der Gesellschaft durch.
Wir sind uns einig, dass es immer noch keine hundertprozentige Gleichberechtigung gibt. Darum geht es mir heute auch nicht.
Wir dürfen stolz auf alles sein, was wir Tag für Tag in unserer kleinen Welt bewegen und diesen Tag auch gebührend feiern, was ich heute Abend mit Sicherheit tun werde.
Doch möchte ich den heutigen Tag auch dafür nutzen, um mich selbst, mein Verhalten und meine Ansprüche neu zu überdenken.
Bleiben unsere Söhne später auf der Strecke, wenn wir weiterhin den Schwerpunkt auf die weibliche Verwirklichung setzen?
Was wird denn eigentlich von der heranwachsenden, männlichen Generation erwartet?
Soll der Traummann der Zukunft und Gegenwart ein smarter, liebevoller Typ sein? Ein Windeln wechselnde Koch, dem alle Gefühle seiner Liebsten auffallen, der aufmerksam und zuverlässig die Aufträge seiner Partnerin umsetzt und nebenbei noch mit seinen Zauberkünsten die Kinder begeistert und mit Bällen jongliert?
Wollen wir solche Männer wirklich an unserer Seite?
Oder ist uns vielleicht etwas überspitzt ausgedrückt, der animalische Steinzeitmann lieber? Ein echter Kerl, der den ganzen Tag auf der Jagd war und neben seiner Beute auch sein Weib an den Haaren in die Höhle zerrt?
Als ich letztes Jahr in Berlin an einem „Erste Hilfe am Kind“ Kurs teilnahm, fiel mir die neue Generation von Vätern ganz besonders positiv auf. Zum einen waren beide Elternteile zu achtzig Prozent vertreten und zum anderen kümmerten sich alle rührend um ihre Frauen und Kleinkinder.
Wenn ich so darüber nachdenke, befinden wir uns alle im Wandel von Gleichberechtigung. Frauen wie auch Männer. Die Frage mancher Herren, wann denn die Emanzipation des Mannes beginnen würde, ist zwar belustigend, doch gar nicht mal so abwegig.
Männlein, wie auch Weiblein unterstehen einem großen Erwartungsdruck des anderen Geschlechts. Aufhalten können wir diese Entwicklung nicht mehr und umkehren wollen wir sie auch nicht wirklich. Ich bin gespannt, wie sich das in der Zukunft entwickeln wird und ob ich meine Söhne gut für die selbstbewusste Damenwelt da draußen vorbereitet habe. Wir werden sehen…
Wenn ich ehrlich bin, wünsche ich mir manchmal die alte Rollenverteilung zurück. Einen Alltag, in dem ich mich nur um den Haushalt, die Kinder und das leckere Essen kümmern muss. Der Mann geht jagen/ackern und die Frau bereitet das häusliche Nest.
Dies bedeutet jedoch auch: Wieder zurück in die Abhängigkeit vom sogenannten Familienoberhaupt.
Möchte ich diese Konstellation wirklich? Nein – wohl eher nicht.
Bis eine anhaltende Zufriedenheit auf beiden Seiten hergestellt ist, vergehen bestimmt weitere hundert Jahre.
Bis dahin sind Männer, wie auch Frauen ständig auf dem Prüfstand.
In diesem Sinne…