Hört mich eigentlich jemand?!

„Kannst du mir vielleicht sagen, wo mein Handy sein könnte? Du hattest vorhin aufgeräumt. Ich finde es nicht mehr!“,

…höre ich mich zum dritten Male meine Frage wiederholen und beginne, wie so oft in diesen Momenten mit laut geführten Selbstgesprächen, indem ich mir meine Frage in ironischem Unterton selbst beantworte, währenddessen ich mich suchend durch unsere Wohnräume bewege :

„Oh nein, mein Liebling. Ich kann es dir nicht sagen wo es sein könnte. Vielleicht habe ich es vorhin auf den Tisch, zu deinen Zeitschriften gelegt oder vielleicht liegt es doch zum Aufladen in der Küche? Mhm – Nein – auch nicht. Ja wo könnte es denn sein?“

Auch meine humorvoll zugefügten Ausführungen wie: „Oh, es steckt bestimmt im Kühlschrank, in der Butterdose fest oder verweilt mittlerweile in der Backröhre!“

führten zu keinerlei Reaktion meiner drei männlichen Mitbewohner. Jene Mitbewohner, die sich zum selben Zeitpunkt wieder einmal in einem unglaublich wichtigen, virtuellen Fußballspiel von FIFA 19 befanden.

Ich positionierte mich seitlich neben unserem Sofa, auf dem sich, zwei Stunden vorher, mein Mann und meine beiden Söhne niederließen. Mein Blick fiel auf drei erstarrt wirkende Körper mit den typisch unverwechselbaren, abwesenden Gesichtsausdruck, während sie mit ihren flinken Fingern ihre Controller bedienten.

Ich sah sie alle drei an und fragte: „Könnt ihr mir vielleicht mal eine Antwort geben?“

Ich hörte nichts. Sie nahmen mich in keinster Weise wahr und hätte ich mich auf der Stelle in Luft aufgelöst, wäre es auch keinem aufgefallen. Ein weiterer Versuch, mit ihnen in der anderen Welt Kontakt aufzunehmen, hörte sich so an:

„Wie sieht´s denn mit Hunger aus? Nicht das euch dieser am Ende eurer Sitzung plötzlich überfallartig heimsucht und es dann nicht schnell genug umgesetzt werden kann?!“

Das einzige Geräusch, welches ich auf mein letztes Hinterfragen erhielt war ein brummendesJoaa…“, das dem Ruf eines blökenden Schafes glich. Während ich mich murmelnd mit den Worten: „Danke fürs Gespräch!“ umdrehte, zuckte ich vom lauten „TOOOOOR!“-Gebrüll zusammen.

Gerade, als ich den Raum verlassen wollte, riefen sie mir dann doch noch hinterher, das sie wohl schon etwas hungrig wären. Damit hätten wir wenigstens diese Frage geklärt, dachte ich bei mir und zog mich mit rollenen Augen aus der „Männerwelt“ zurück.

Vor ein paar Tagen erlebte ich eine ähnliche Situation. Am späten Nachmittag, einen Tag vor der Abreise nach Bayern, versuchte ich in die hinterste Ecke unserer Dachbodenschräge zu gelangen, um die dort verstauten Winterutensilien heraus zu ziehen.

Da nach unserer letzten Entrümpelungsaktion noch immer genug Material zum Wegpacken und Umschichten übrig blieb, nutzten wir hierfür die direkte Fläche über der Dachgaube. Diese kleine Abstellkammer befindet sich hinter dem dicken Querbalken des Dachstuhls, und ist unglaublich niedrig und schwer erreichbar.

Ich robbte also wie eine Raupe, flach auf den Bauch liegend über verschiedene Kisten hinweg, in die hinterste Ecke dieser Kammer, bis meine Fingerspitzen die flachen, übereinander gestapelten Tellerschlitten erreichten. Ich zog diese mit Daumen und Zeigefinger vorsichtig zu mir und schob mich denselben Weg japsend auf die etwas höher liegende Ebene des Querbalkens zurück. Dabei kratzte ich mir die Haut meines Unterarms an den Metallkanten der darüber liegenden Schneeschaufel auf, welche wegen unserer aktuellen Wetterlage noch immer auf ihren Einsatz wartet.

Hätte es jemand bemerkt, wenn ich bewegungsunfähig stecken geblieben wäre?, fragte ich mich schmunzelnd. Mein Rufen hätte mit Sicherheit niemand im isolierten, hintersten Winkel unseres Hauses vernommen.

Missmutig transportierte ich unsanft und lautstark unseren Koffer, Rucksäcke und die Schlitten die Leiter hinunter. Kurz darauf suchte ich meine Söhne auf, die sich zeitgleich spielend auf ihrem Lieblingsplatz, vor der PS4 befanden und knirschte sie an:

„Jungs! Schenkt mir mal euer Ohr! Macht sich eigentlich einer von euch mal Gedanken? Währenddessen ich oben alles für unsere Reise zusammen suche, sitzt ihr hier, bekommt nichts mit und würdet meinen Ruf vom Dachboden nicht mal hören! Wenn ich die Treppe hinunter stürzen würde, interessiert das anscheinend auch niemanden. Habt ihr gerade das laute Poltern nicht gehört? Das hätte auch ich sein können, die gerade von der Leiter fällt!“

Mit großen Augen sahen sie mich an und meinten kleinlaut: „Doch schon – haben wir gehört, aber wir dachten uns nichts dabei.“ Mein Jüngster begegnet derartigen Situationen meistens gut überlegt und äußerte sich sofort liebevoll mit den Worten: „Oh, toll, das du das für uns machst, Mama. Ich meine – die Sachen zusammensuchst. Schließlich ist es ja für uns – der Schlitten und so…“

Und damit nahm er mir den ganzen Wind des Ärgernisses aus den Segeln. Ich konnte nur noch erwidern, das sie doch mal darüber nachdenken sollten.

Diese familiären Augenblicke stimmen mich meist alles andere als fröhlich und trotzdem darf und kann ich ihnen dafür keinen Vorwurf machen, denn eigentlich gibt es bei uns festgelegte Spielzeiten. Mit „eigentlich“ meine ich, das es natürlich auch Ausnahmen von diesen Regeln gibt. Und zwar meist dann, wenn ich einfach mal in Ruhe etwas erledigen möchte.

Außerdem ticke ich ziemlich ähnlich. Mich kann man zwar nicht für PS4, Formel 1, Wii oder sonstige elektronische Spiele begeistern, aber alle anderen Geräte, welche mit intelligenter Kommunikation und Organisation, technischen Aufzeichnungen und Messungen zu tun haben, faszinieren mich sehr.

Gehöre ich doch zu den weiblichen Geschöpfen, die sich gerne von Sportuhren in den Hintern treten lassen und durch erreichte Ziele zu mehr Leistung motiviert werden. Grundvoraussetzung ist allerdings, diese Uhr auch zu tragen. Zur Zeit liegt sie mit leerem Accu im Regal und wartet, wie die Schneeschaufel, auf ihren Einsatz. 😉

Offen gestanden könnte ich auch nicht lange ohne mein Handy auskommen, denn darin steckt alles, was mich in meinem Alltag begleitet. Es am frühen Morgen, bei einer Tasse Kaffee einzuschalten, die Nachrichten der verschiedenen Apps zu lesen, ist wie in Zeitschriften blättern und lässt mich langsam in den Tag starten.

Unsere elektronische Assistentin nach dem Wetter zu fragen, von ihr meine Lieblingsmusik abzurufen und mich über ihre Ableger mit meiner Familie zu unterhalten, verschiedene Sätze in meine Lieblingssprache übersetzen zu lassen, neue Kochideen zu sammeln oder sie scherzhaft ins Familienleben einzubinden, in dem sie „eine Runde Mitleid“ spendet – all diese und andere Funktionen, wie Einkaufslisten und Terminerinnerungen finde ich amüsant und sehr nützlich.

Brauche ich es wirklich zum Leben?

Natürlich nicht! Und vorher kam ich auch ohne diese Erfindungen gut zurecht, jedoch erleichtert und verschönert es trotzdem meinen Alltag.

Wenn in meinem Kopf neue Beitragsideen geboren werden, möchte ich diese natürlich so bald als möglich aufschreiben und spätestens dann ähnele ich dem Rest meiner Familie, wenn sie sich im PS4-Fieber befinden.

Denn hat es mich erst einmal gepackt, höre und sehe ich auch nichts mehr. Außer dem Bildschirm und der Tastatur existiert vielleicht nur noch die Tasse Kaffee neben mir. Oftmals rinnt die Zeit unbemerkt dahin. Erst wenn es mich fröstelt, bemerke ich die Uhrzeit, die mir signalisiert, das ich mich schon längst in meinen Federn befinden müsste.

So schön diese Hobbys und Freizeitbeschäftigungen auch sind, so sind wir doch immer wieder gefordert, alles andere nicht aus den Augen zu verlieren. Dabei nicht aus dem Gleichgewicht zu geraten, fällt mir nicht immer leicht. Zu gerne würde ich ab und zu in die Rolle eines Kindes schlüpfen wollen und bettelnd noch mehr Zeit für lieb gewonnene Beschäftigungen einfordern.

Vielleicht bin ich manchmal genau aus diesem Grund so unleidlich, weil ich als Erwachsener meinen Alltagspflichten nachgehen muss, denn die to do Liste erledigt sich nicht von selbst.

Aber wer sagt denn, das ich es nicht gelegentlich genauso umsetzen könnte? Wer steht denn hinter mir und sieht mir auf die Finger, wann ich welche Aufgaben erledige? Setzt mich irgend jemand unter Druck?

Nein. Niemand anderer. Nur ich selbst stecke mir meine Ziele. Manchmal wäre es für alle Beteiligten besser und angenehmer, die eigenen Zügel lockerer zu lassen und die Prioritäten neu zu sortieren.

Das nächste Mal versuche ich es mit der Frage:

„Möchtet ihr mich vielleicht auch mitspielen lassen?

🙂