Jeder von uns hat eine gewisse Vorstellung vom Leben und dem damit verbundenen, täglichen Miteinander.
Wir erwarten einen bestimmten Ablauf, erhoffen uns passende Reaktionen, möchten unsere Zielvorstellungen nicht aus den Augen verlieren, setzen uns für die Einhaltung und Umsetzung aufgestellter Regeln ein und gönnen uns kaum notwendige Ruhephasen, weil wir doch noch so viele Dinge zu erledigen haben.
Letztendlich drehen wir uns oftmals wie ein Brummkreisel durchs Leben und mit jeder Umdrehung rinnt die Zeit dahin. Um so mehr Termine in meinem Kalender stehen, um so mehr beschleicht mich dieses Gefühl, nichts mehr mitzubekommen. Fast unbemerkt vergehen die Wochen und schon stehen wieder die aufgebauten Weihnachtsmärkte in Gartencentern & Co.
Hast du einen Moment Zeit, um dich auf einen kleinen Ausflug zu begeben? Dann lass dich sinnbildlich an die Hand nehmen und folge mir ein paar Minuten deiner kostbaren Lebenszeit…
Täglich sind wir dabei, uns neu zu sortieren, stehen morgens auf, machen uns fertig, frühstücken ein wenig oder nichts, bereiten das Nötige für den Tag vor, erledigen unsere Arbeitsaufträge, sofern nicht auch noch zusätzlich wichtige Dinge der gerade erkrankten Kollegen übernommen werden sollen.
Den notwendigen Mehraufwand dieser Arbeitszeit kompensieren wir meist durch keine oder kürzere Pausen oder schieben eben wieder Überstunden, bevor wir uns mit einem Sack voller Todos auf den Weg zum Supermarkt, Kindergarten oder Hort begeben. Unsere kleinen Lieblingsmenschen warten vielleicht schon sehnsüchtig auf uns. Sie erlebten gegebenenfalls einen ebenso aufregenden Tag und erhoffen sich unsere Umarmung.
Endlich zu Hause angekommen, werden wir durch das uns umgebende Chaos an den gestrigen Abend erinnert. Denn den großen Kindern fiel ein, das diverse Hausaufgaben nicht ohne unsere Unterstützung zu schaffen sind. Aus demselben Grund stapelt sich noch immer die getrocknete, zusammengelegte Wäsche auf der Ablage und die Überreste der zersprungenen Ketchupflasche, welche beim Ausräumen aus der Einkaufstasche rutschte, kleben noch immer an den Bodenfliesen. Für eine rückstandslose und gründliche Reinigung fehlte einfach die Zeit. Das Geschirr vom Frühstück steht noch auf der Arbeitsplatte, da die prall gefüllte Spülmaschine noch auszuräumen ist…
Während du dabei bist, dein Umfeld wieder einigermaßen in Ordnung zu bringen, öffnet sich die Wohnungstür und dein ziemlich gestresster Partner begrüßt dich mit den Worten: „Was für ein Horrortag – heute reicht es einfach! Am besten nichts mehr hören, noch sehen…!“
Eigentlich stand dir vorhin beim hektischen Lebensmitteleinkauf noch ein harmonisches Abendessen mit deinen Lieben im Sinn, aber irgendwie läuft dir mal wieder die Zeit, samt deiner positiven Energie davon, denn genau in diesem Moment streiten sich deine Kinder fürchterlich laut, wegen irgendeiner Lappalie.
Während du nun die Spülmaschine eilig ausräumst, gleitet dir das noch feuchte Milchglas aus der Hand , zerschellt auf dem Küchenboden und zerspringt in tausend kleine Scherben. Jetzt ist der Augenblick gekommen, an dem dich niemand, aber auch niemand aus deiner Familie ansprechen sollte…
Solche oder ähnliche Tage kommen dir vielleicht bekannt vor und du hast dich eventuell gefragt, warum wieder einmal alles ganz anders läuft, als du es dir ausgemalt hast. Vielleicht gehörst du auch zu den Menschen, die morgens mit guter Laune in den Tag starten und alles geben, um die anderen zufrieden zu stellen und glücklich zu sehen.
Du unterstützt deine Kinder, hältst deinem Liebsten den Rücken frei, steckst all deine Energie in deinen Job und öffnest abends – für wen auch immer – deine tröstenden Arme, um ein wenig später auf eurem Sofa einzuschlafen.
Da wir unser alltägliches Leben nicht einfach abschalten können und trotzdem weiter funktionieren wollen, ist es wichtig, das du dich selbst nicht aus deinen Augen verlierst.
Wenn du dich ernsthaft und in aller Ruhe fragst, was du eigentlich tief in dir drin möchtest und keine spontane Antwort erhältst, dann ist es Zeit, dich auf die Suche zu begeben.
Stell dir vor, das du vor deinem Spiegelbild stehst und dir dabei tief in die Augen blickst. Die Türe deiner Pupille öffnet sich und du gehst vorsichtig in einen dunklen Raum. Die Türe hinter dir verschließt sich und weit hinten, am Ende des Flures siehst du ein flackerndes Licht in angenehmen Farbtönen.
Und in diesem wärmenden Lichtkegel sitzt ein kleines Kind, zusammengekauert auf dem Fußboden. Es umarmt seine eigenen Knie und blickt stumm auf die pulsierende Flamme. Langsam gehst du auf dieses Kind zu, stehst hinter ihm und erkennst die Umrisse der dir bekannten Gesichtszüge.
Nun dreht sich dieses Kind um und sieht dich voller Freude an. Es springt auf und ruft dir zu:
„Oh wie schön! Du bist da! Es ist so lange her, als du dich das letzte Mal um mich gekümmert hast. Ich dachte schon, du hättest mich ganz und gar vergessen!“
Mit Tränen in den Augen siehst du es an. Du bist es selbst! Nur etwa im Alter von drei oder vier Jahren. Und dieses kleine Kind streckt dir voller Liebe seine Arme entgegen.
Du hebst es hoch und drückst es ganz fest an dich. Währenddessen dieses kleine Kind deinen Hals mit seinen Armen umschlingt, riechst du einen dir sehr vertrauten Duft und fühlst dich geborgen, wie schon lange nicht mehr. Du sagst nur drei Worte zu diesem wunderbaren Wesen, welches du noch immer fest umklammerst:
ICH – LIEBE – DICH!
Denn nur DU selbst kannst dich in dieser unglaublichen Art und Weise lieben, wie es sonst keiner auf dieser Welt vermag. Und nur DU bist für DICH selbst verantwortlich! Sonst niemand!
Also sei gut zu dir und gehe mit dir liebevoll um. Achte darauf, was das kleine Wesen in DIR spielen möchte und gebe diesen Wünschen nach. Verschiebe es nicht auf unbestimmte Zeit, sondern schaffe dir selbst deine Freiräume! Nur für dich alleine und nimm diese kostbare Lebenszeit sehr ernst. Es ist dein Geschenk an dich.
Denn das ist der einzige Weg, dich selbst ein Stück weit glücklicher zu machen und schenkt dir ganz nebenbei das Bewusstsein, das die Beziehung zu dir selbst die einzig wahre Beziehung ist. Wenn du dich selbst lieben, respektieren und annehmen kannst, so wie du bist, wirst du diese Liebe auch anderen geben.
Ich selbst verliere mich immer wieder in meinem Alltagsgeschehen und ertappe mich dabei, wie ich hin und wieder unzufrieden bin und aus diesem Grund anderen gegenüber ungerecht werde.
Bis mich irgendwann dieses kleine, neben mir stehende Mädchen antippt und mich daran erinnert, wie ich erneut meine Freiräume wegen irgendeines Vorhabens aufgeschoben habe und ihre Vorschläge ignorierte.
Oft stelle ich mir vor, was wohl wäre, wenn ich plötzlich die Diagnose einer unheilbaren Krankheit erhielte und denke lange darüber nach. Leider neigen wir häufig dazu, erst dann notwendige Änderungen herbeizuführen, wenn es zu spät ist.
Ich möchte mir nicht vor Augen führen müssen, so gut wie nichts unternommen zu haben, um das Leben bewusst wahrnehmen zu können.
Ich möchte nicht irgendwann feststellen, das ich plötzlich keine Zeit mehr habe, um meinen Lebensplan zu vollenden.
Daher versuche ich einige Augenblicke meines Lebens festzuhalten. Nicht nur das Schreiben über meine Erlebnisse helfen mir dabei, sondern auch meine Wahrnehmung an sich.
Oft sind es auch nur Kleinigkeiten, welche mich fesseln.
Ich sehe die bunten Herbstblätter im abendlichen Sonnenlicht hinunter fallen, blicke den Kranichen auf ihrem Weg in den Süden hinterher, beobachte den Igel am Wegesrand und halte für jeden dieser schönen Momente kurz inne, atme tief ein und werde mir bewusst, wie schön unser Leben doch sein kann. Wenn wir es nur sehen wollen.
Es ist unsere kostbare Lebenszeit – lasst sie auf euch wirken und genießt sie mit all euren Sinnen! Behandelt eure Beziehungen weise und verliert euch selbst nicht aus den Augen! Kümmert euch um euch, um eure Kinder und um eure Eltern, so lange sie noch da sind.
Denn sie alle sind es WERT!