Schön, das du wieder dabei bist! Lass dich mitnehmen, auf die letzte Etappe meiner Gefühls-Achterbahn mit Überschlag und allem was dazu gehört.
In meinen letzten drei Beiträgen hast du wartend in der Schlange gestanden, um heraus zu finden, ob diese Achterbahn hält, was sie verspricht. Heute darfst du am Ende selbst entscheiden, ob sich das Warten gelohnt hat. Steige ein und lass dich mitreißen vom letzten Teil einer Geschichte aus meinem Leben.
…
Irgendwann, nach einiger Zeit, gab ich es auf, noch länger auf seine Antwort zu warten und hakte es unter, „Doch nur ein Spiel!“ in meiner Gedankenwelt ab.
Eigentlich hätte ich mich über unsere anstehende Urlaubsplanung riesig freuen müssen. Mein Mann hatte die Idee, das wir nach all den Jahren doch mal eine Reise zu zweit, ohne Kinder umsetzen sollten. Er buchte spontan unsere Flüge in die Dominikanische Republik. Meine erste Fernreise!
„Das könnte eine Chance für uns sein!“, dachte ich und konzentrierte mich wieder auf uns beide. Also auf ihn – meinen Ehemann. „Was tust du denn eigentlich noch so für ihn?- Nichts!“, stellte ich ernüchternd fest. „Es steht eine Reise an, für die ich mir das eine oder andere Teil besorgen möchte. Vielleicht finde ich auch etwas, womit ich ihm eine kleine Freude machen möchte, denn er könnte auch mal ein neues Outfit gebrauchen.“
Über diesen letzten Satz hätte ich eigentlich selbst stolpern müssen. Spätestens seine Reaktion beim Auspacken der engen Jeans mit Knopfleiste, statt des Reißverschlusses, der quietschgelben Sneaker und des legeren longshirt´s hätte mich wach rütteln müssen. „
Das ist nett von dir. Danke. Aber – das bin NICHT ich!“
Oft zeigt einem das eigene Unterbewusstsein, was los ist. Vorausgesetzt, man ist bereit, dies auch zu erkennen. Ich wollte es nur teilweise wahrhaben, machte mir selbst etwas vor und mogelte mich irgendwie durch meinen Alltag.
Meine Hoffnung, das es in unserem Spezialurlaub besser werden könnte, erfüllte sich nicht. Diese Reise war nur ein Beben, welches unserem „Elfenbeinturm“ weitere Risse zufügte und öffnete mir die Augen.
Niemals wollte ich meinem Partner schweigend gegenüber sitzen. Niemals wollte ich erkennen, das er sich mehr für andere Geschöpfe der Damenwelt interessiert und sich selbst zu gerne profiliert. Niemals wollte ich zugeben, das ich nur die Rolle des hübschen Beiwerk in seinem Konstrukt übernehme, hinter dem er seine zweite Persönlichkeit versteckt.
Ein dort kennengelerntes Pärchen sah uns aus einem anderen Blickwinkel und beobachteten ihn mehr als ich. Letztendlich glaubte ich meinem Ehemann, als irgend welchen außen stehenden Personen und versteckte mich wieder hinter meiner naiven Sichtweise, was die Männerwelt anging.
In unserer gemeinsamen Reise zu zweit verband uns nichts mehr. Ich saß neben ihm am Strand und durfte teilhaben, wie er schweigend einen Roman, nach dem anderen verschlang. Bei den gemeinsamen Mahlzeiten, welche mehr als üppig ausfielen und mich schier nach Hause rollen ließen, schwiegen wir uns meist an.
Welche Themen haben wir eigentlich immer zu Hause beackert? Inhalte über Kinder und Erziehung und der Erfahrungsaustausch unseres beruflichen Alltags wurden regelmäßig diskutiert, tiefer gehende Bereiche über uns selbst und unsere Gefühle mehr und mehr ausgeklammert. Und ehrlich gesagt, trug ich mit meinen Tagträumen in keinster Weise zu einer Besserung bei.
Zusammenfassend blieb nur noch das traurige Sinnbild einer erloschenen Flamme, welche sich durch nichts mehr entzünden ließ. Meine Liebe zu ihm starb unbemerkt – Stück für Stück – bis letztendlich nicht ein einziger Funke übrig blieb. Keiner von uns suchte das Gespräch, welches vielleicht noch etwas hätte ändern können und für mich war es irgendwann nicht mehr wichtig.
Beziehungen enden nicht einfach so, abrupt, von jetzt auf gleich! Auch kann man keinem die alleinige Schuld für dessen Ende zuweisen. Das ist zwar der einfachste Weg, jedoch oftmals eine Lüge, sich selbst gegenüber.
In diesen Zeitraum meiner schleichenden Erkenntnisse standen mehrere Besuche in Berlin an. Der erfolgreiche Abi-Ball meiner Tochter durfte gefeiert werden, zu dem ich auf Grund der Urlaubsvöllerei kein passendes Kleid im Schrank fand. Deshalb fühlte ich mich an jenem Abend wie ein braun gebranntes, gemästetes Huhn.
Außerdem durfte ich die Gewinner der letzten Vertriebsveranstaltung zur „blue man group“ begleiten, deren Show ich mir allerdings nicht noch einmal ansehen wollte. Ich zog es vor, über den so heiß geliebten Potsdamer Platz zu schlendern. Wie sehr sehnte ich mich nach dieser Wahlheimat-Stadt zurück und mir wurde bewusst, das ich einfach nicht ins Ruhrgebiet gehöre.
Melancholisch betrachtete ich die Architektur der umliegenden Gebäude. Ich sehnte mich nicht nur nach Berlin, sondern auch nach ihm.„Du könntest ihm doch einfach eine Nachricht schreiben, ob er nicht Lust hätte, spontan mit dir etwas Trinken zu gehen…“, hörte ich mein Unterbewusstsein anklopfen.
Viel zu feige ließ ich es bei dem Gedanken und mischte mich unter die Kollegen, welche noch einen Absacker einnahmen, bevor wir alle am nächsten Tag den Heimweg antraten.
Wochen später informierte man uns über die geplante Mega-DHL-Vertriebstagung, zu der alle Vertriebsmitarbeiter Deutschlands eingeladen wurden. Gleichzeitig rief mich ein besorgter Teamleiter aus Berlin an, der mich vertraulich in die Ausstiegspläne dieses einen Kollegen einweihte. Erschüttert bot ich ihm meine Unterstützung an, und er nahm mein Kompetenz übergreifendes Gesprächsangebot an, denn er lag mir nicht nur persönlich am Herzen, sondern es würde uns ein wirklich talentierter Verkäufer verlassen.
Ich atmete tief durch, rief ihn an und hörte eine ziemlich frustrierte Stimme am anderen Ende. Hier musste in der Vergangenheit einiges passiert sein, dachte ich bei mir, denn so kenne ich ihn gar nicht. Es dauerte nicht lange und wir unterhielten uns plötzlich genauso angeregt, wie vor einem Jahr, bei unserem ersten Abend in Frankfurt.
Wir lachten sehr viel und ich musste mittendrin das Telefonat beenden, weil mich plötzlich ein Einsatzwagen der Polizei mit blinkender Leuchtschrift aufforderte, diesem zu folgen und die nächste Autobahnausfahrt abzufahren. Hatte ich doch kurz vorher bewusst das Telefon aus der Freisprechanlage gezogen um einen besseren Empfang zu erhalten.
Dies zu tun, ist schon dumm genug, so ist es noch blöder, sich auch noch dabei erwischen zu lassen, denn das wurde teuer!
Mit aktivierter Freisprechanlage setzten wir unser Gespräch fort und ich legte nach einiger Zeit zufrieden auf, denn er blieb uns als Mitarbeiter erhalten. Und seine Antwort auf meinen Vorschlag, den versäumten Tanz nachzuholen, ließ mein Herz höher schlagen:
„Dieses Mal benutze ich einfach Klebstoff, dass du mir nicht wieder entwischen kannst!“
Jetzt war ich es, die sich wie ein junges Mädchen fühlte. Völlig aufgeregt und voller Lebensfreude fuhr ich nach Hause. Die kommenden Tage bis zum großen Event beschäftigte ich mich hauptsächlich damit, was ich anziehen könnte und wo ich dies einkaufen werde. Im Kopf schmiedete ich folgenden Plan:
Die Veranstaltung sollte in Magdeburg stattfinden. Am besten reise ich schon einen Tag früher, fahre ein wenig weiter, verbinde das gleich mit einem ersehnten Besuch bei meiner Großen und gehe in der Nähe für die Abendveranstaltung einkaufen.
Ich sehe heute noch den verwunderten Gesichtsausdruck meiner Tochter, als sie ihre völlig aufgekratzte Mutter begrüßte, die ihr sofort die Shopping-Ergebnisse präsentierte: Ein rotes Kleid, rote Schuhe und Handtasche und dazu die passende Stola für kühle Momente.
„Was hast du denn vor, Mami?“, fragte sie mich überrascht. „Ich möchte einen mächtig guten Eindruck hinterlassen und feiern gehen.“, hörte ich mich hochmotiviert antworten.
Am nächsten Morgen begab ich mich auf die Autobahn in Richtung Westen und freute mich riesig auf diesen Tag. Das ich auf diesem Event evtl. weitere berufliche Kontakte knüpfen könnte, war mir nicht mehr wichtig. Mein Focus galt ab diesem Tag nur noch einer Person. Das machte sich auch bei der Begrüßung in der Eingangshalle des Maritim Hotels bemerkbar.
Völlig unvorsichtig lief ich von hinten auf die Sitzgruppe der Lobby zu, auf der das Berliner Team in lockerer Runde wartete. Ich kam näher und begrüßte ihn zuerst, indem ich ihn einfach von hinten mit einem festen, beidseitigen Schultergriff überraschte. So sehr freute ich mich, ihn wieder zu sehen! Sichtlich überrascht von meiner Aktion zuckte er zusammen und lächelte.
In den folgenden Stunden galt unsere Aufmerksamkeit den Reden und Auftritten sämtlicher Führungskräfte und dessen Lobeshymnen zu eigenen Erfolgsergebnissen.
Pünktlich zum Anpfiff des WM-Viertelfinalspiels – Deutschland : Italien – standen die meisten von uns feiernd vor der, im Hotel, aufgebauten Leinwand. Vor Beginn dieser Weltmeisterschaft gehörte ich zu den Fußball ablehnenden Mitbürgern. Diesem Sommermärchen konnte ich mich allerdings nicht entziehen und stand mittendrin in der jubelnden Menge von fußballbegeisterten Kollegen.
Zwischen dem Ende der Fußballübertragung und dem Beginn der Party blieb genügend Zeit, um unsere Gemüter zu beruhigen und uns für den Abend fertig zu machen. Seit unserer morgendlichen Begrüßung hatte ich ihn völlig aus den Augen verloren. Bis auf ein einziges Mal, nach dem Ende des Fußballspiels. Von Weiten entdeckte ich ihn in einer Gruppe von abfeiernden Mitarbeitern.
Auf meinem Hotelzimmer angekommen, packte mich die Panik. Wieder meldete sich mein schlechtes Gewissen und stellte mir die Frage, ob ich denn wirklich auf dem richtigen Weg sei, als ich mir mein neu erworbenes Outfit überzog.
Wenn ich ehrlich bin, ging ich total verunsichert zum großen Festsaal und war froh über den Besitz meiner Stola. Diese konnte ich mir fest um meine Schultern wickeln, mich daran festhalten und sie gab mir ein wärmendes Gefühl, denn trotz der Sommerhitze fröstelte es mich vor Aufregung.
Nach einigen Komplimenten netter Kollegen fühlte ich mich wieder wohl und sicher in meiner Haut und bediente mich an dem leckeren Buffet. Erst hier traf ich wirklich auf ihn und unsere Blicke berührten sich erneut. Kurze Zeit später begann die große Party mit mitreißender, spanischer Musik und ließ mich all meinen Mut zusammenfassen, um ihn zum Tanzen aufzufordern.
Er nahm mich an die Hand, zog mich ein Stück hinter sich her, auf die Tanzfläche und blieb mir gegenüber einfach stehen. Er lächelte mich an und griff dabei mit der linken Hand in seine Hosentasche, um etwas herauszuholen. Es war zu klein, als das ich es gleich erkennen konnte. Er streckte seinen Arm in meine Richtung, öffnete seine geschlossene Faust und auf seiner Handfläche erschien eine kleine Tube Sekundenkleber. Ich musste so lachen, als er gleichzeitig mit diesem unverwechselbaren Lächeln sagte: „Heute kannst du nicht einfach wieder verschwinden!“
Mit der Tube Klebstoff zwischen unseren Händen tanzten wir zu einigen Songs der temperamentvollen Musik. Da ich trotzdem nicht all zu sehr auffallen wollte, löste ich mich hin und wieder von ihm. Wir alle amüsierten uns stundenlang auf einer prallgefüllten Tanzfläche, bis die Rausschmeißer-Songs abgespielt wurden. Wir begaben uns mit einer kleinen Gruppe in den Randbereich des Saals, um uns dort noch ein wenig zu unterhalten.
Zwischen ihm und mir passte kein Blatt Papier, so nah saßen wir nebeneinander und redeten über alles Mögliche. Und wenn ich an den folgenden Augenblick zurück denke, muss ich heute wieder ein wenig den Kopf über mich selbst schütteln. Die Euphorie des Abends bewegte mich zu Handlungen, die ich niemals zuvor in derartigen, beruflichen Rahmen unternommen hätte. Ich empfand meine Sitzposition als unbequem, schlug mein Bein über seines und fühlte mich schon fast wie zu Hause.
Er flüsterte leise: „Hey, was machst du. Bist du verrückt? Wie soll ich denn das verstehen? Die Kollegen sind doch alle hier!“ und als wenn es das normalste der Welt wäre, antwortete ich nur: „Ist doch ok – Mich stören keine Kollegen – So ist es bequemer und wenn es dich nicht stört…“ Er verneinte kopfschüttelnd und wir unterhielten uns alle weiter.
Die nächste Situation in der Bar, als ich wegen der angeschwollenen Füße meine Tanzschuhe auszog und meinen Fuß auf seine Beine hoch legte, verwirrte dann doch ein wenig unser Umfeld. Die Blicke und Anmerkungen ließen mich dann endlich aus meiner verklärten, rosa Nebelwolke auftauchen, meine inneren Zügel anziehen und mich wieder normal verhalten.
Nach und nach verabschiedete sich einer nach dem anderen, um noch eine Mütze Schlaf ab zu bekommen.Wir beide saßen mittlerweile mutterseelenallein in dieser riesengroßen Halle und waren keineswegs müde. Irgendwie hatte alles um uns herum etwas geisterhaftes an sich. Als wenn es keine Party mit hunderten von Menschen gegeben hatte. Nur noch wir, ein Hotelangestellter und leise lounge-music im Hintergrund.
„Möchtest du noch einmal mit mir tanzen? Diesen Augenblick wirst du niemals wieder vergessen. Möchtest du?“, fragte er mich plötzlich.
Mir entglitten die Gesichtszüge und die blanke Angst stieg in mir hoch, plötzlich von meinem Chef gesehen werden zu können. Und zusätzlich bremsten mich meine inneren Damen der Vernunft, welche sich die letzten Stunden wohl offensichtlich im Urlaub befanden. Ich verneinte und ließ diese einmalige Gelegenheit an mir vorübergehen.
Statt dessen unterhielten wir uns über Visionen, an welchen Ort wir uns später im Alter sähen. Ihm fiel keine Antwort auf meine Frage ein. Meine Vorstellung, dass ich mich in einem langen Leinenkleid bekleidet und Strohhut vor meiner Staffelei stehen sähe…irgendwo in einem kleinen Häuschen oben auf einer Steilküste mit Meerblick, machte ihn nachdenklich und er fragte mich: „Bist du alleine dort?“
Ich schloss die Augen und antwortete: „Ja, ganz alleine…“
Dies kam spontan und aus meinem Bauch heraus und die eigenen Worte weckten mich und machten mir klar und deutlich bewusst, wo ich mich gerade befand. Nicht nur körperlich, sondern auch seelisch.
„Wo ist dein Mann in deiner Vorstellung?“, hörte ich ihn noch fragen, bevor ich auf die Uhr sah, welche mich dazu aufforderte, unsere kurze, gemeinsame Zeit schnell zu beenden. Denn draußen schien schon lange die Morgensonne, als wir uns verabschiedeten, um uns für gleich zum Frühstück zu verabreden.
Völlig durcheinander betrat ich das Bad meines Hotelzimmers und wusste nichts mehr. Ich befand mich mittendrin in einem Strudel von schwindelerregenden Glücksgefühlen, der mich immer tiefer zog und die mich selbst schützende Mauer schien restlos eingerissen.
„Mach dich zügig fertig und genieße die Zeit, die dir noch bis zur Abreise bleibt!“, ermutigte ich mich selbst und fuhr kurz darauf mit dem Aufzug zum Frühstücksraum. Vor dessen Tür stand bereits mein Chef und in meinem Gesicht konnte er sicher wieder einmal, wie in einem offenen Buch lesen…
An jenem Morgen hätte ich mich am liebsten mit meinem Tänzer auf die Terrasse verzogen, um dort noch ein wenig zu plaudern. Dafür blieb jedoch keine einzige Minute übrig. Für uns alle hieß es wieder Abschied nehmen.
Vor mir lagen vierhundert Kilometer Autofahrt, welche ich alleine hinter mich bringen durfte. Und es war gut so, denn ich benötigte viel Zeit, um mich erneut sortieren zu können, nur leider gelang es mir an diesem Tag nicht.
Ich konnte und wollte meine Welt nicht mehr gerade rücken!
Laute Musik hielt mich einigermaßen wach, bis ich zu Hause ankam. Mein Mann reparierte gerade die Haustür, welche von unserem Hund zerkratzt wurde, als er mich mit seinem ganz speziell, prüfenden Blick begrüßte. Ich verzog mich in mein Bett. Erst mal nur noch schlafen!
Mehr wollte ich nicht. In der Vergangenheit half mir immer eine große Mütze Schlaf beim nüchtern werden. An jenem Tag funktionierte nichts dergleichen. Ich fühlte mich gänzlich unfähig in die Realität zurückzukehren, geschweige denn, meinen gewohnten Alltagspflichten nachzugehen.
Nicht mal jene Blicke meines Mannes weckten ein schlechtes Gewissen in mir. Ich bin überzeugt davon, dass er all die kleinen Anzeichen mitbekommen hatte. Ein einziges Mal nahm er mein vor mir liegendes Handy an sich, welches gerade wieder einen SMS Ton von sich gab, sah mich kühl an, überlegte kurz und legte es kopfschüttelnd wieder auf den Tisch. Mein Herz blieb in diesem Augenblick stehen und ich dachte, ich müsse auf der Stelle tot umfallen.
Es verging keine Stunde, in der ich nicht an ihn dachte. Zu jener Zeit hörte ich gerne die Musik von Anett Louisan und als ich dieses eine, alles in mir auslösende Lied („Liebeslied“) hörte, lief es mir eiskalt den Rücken hinunter. Denn jedes einzelne Wort in diesem Liedtext passte auf mich und meine Lebenssituation und ließ all meine tief versteckten Gefühle explodieren. Bis zum damaligen Zeitpunkt hatte ich noch immer keine Ahnung, wie es denn nun tatsächlich in meinem Lieblingskollegen aussah.
Diese entscheidende Frage stellten wir uns nicht. Doch beim Hören dieses Liedes stellte ich mir keine weiteren Fragen mehr. Völlig bedenkenlos zückte ich mein Handy und tippte nur noch diese eine Nachricht an ihn in die Tastatur: „Wenn du wissen möchtest, wie es mir geht, dann höre bitte das Lied Nr. 12 von Anett Louisan auf dem Album LIEBESLIED an. Jedes Wort entspricht der Wahrheit.“
Die Stunden bis zu seinem ersehnten Anruf fühlten sich wie eine Ewigkeit an. Ich zitterte vor Anspannung, Angst und Freude gleichzeitig am ganzen Körper, als endlich mein Handy klingelte.
Eine völlig überrascht klingende Stimme begrüßte mich mit den Worten: „Ich habe dieses eine Lied bestimmt zwanzig Mal angehört, bis ich es wirklich glauben konnte. Ist das dein Ernst?“
Natürlich war es ernst gemeint. Wenn auch kopflos und sehr emotional aus dem Bauch heraus entschieden, so habe ich schon ewig nichts mehr mit all meinen Sinnen und mit dieser völligen Überzeugung empfunden, wie diese Tatsache.
Ich liebte ihn und konnte mich dessen nicht mehr entziehen, geschweige denn weiterhin vor mir selbst fliehen.
Die kommenden Wochen telefonierten wir unglaublich viel miteinander, gab es doch Unmengen an Fragen, die noch ihre Antworten suchten. Nun könnte man annehmen, das wir beim nächsten Aufeinandertreffen bestimmt übereinander hergefallen sein könnten. Oh nein. Unser Weg kreuzte sich rein dienstlich.
Da ich einige Repräsentanten bei ihrer Tätigkeit begleiten konnte, durfte ich mich auf den vor mir liegenden, offiziellen Termin freuen. Ich suchte nach einer Antwort, ob er tatsächlich an meiner Person und nicht nur an meiner äußeren Hülle interessiert ist.
Deshalb fuhr ich ungeschminkt und in legeren Klamotten zu diesem Termin und wartete vor dem Gebäude, der mir mitgeteilten Kundenadresse auf ihn. Wie begrüßt man sich nun in solch einer Situation? Wir standen uns nur gegenüber, lächelten und waren uns einig, offizielle Angelegenheiten erst einmal vorbildlich zu erledigen.
Ein Blinder mit Krückstock hätte bemerkt, das wir keine rein dienstliche Beziehung zueinander pflegen. Die Dame hinter dem Tresen des Kunden amüsierte sich nicht schlecht über unser Auftreten. Sie musste schmunzeln, als wir uns immer wieder in unseren vertrieblichen Aussagen verzettelten, weil wir uns während des Verkaufsgesprächs viel zu tief in die Augen sahen.
Von „vorbildlich“ konnte hier keine Rede sein. Wir stiegen beide erleichtert in den Aufzug ein und waren froh über das geglückte Verkaufsergebnis, welches ohne weitere Peinlichkeiten über die Bühne ging. Seine Frage, ob wir noch einen weiteren Kunden besuchen werden, verneinte ich, da es wohl wenig Sinn mache und weniger professionell rüber kommen würde. Zu sehr knisterte die Luft zwischen uns in der Kabine des Aufzuges.
Lass uns einen schönen Ort für unseren Feierabend aussuchen. Da ich in Potsdam mein Quartier buchte, gingen wir am Templiner See zum Essen. Dort überraschte uns ein mächtiges Sommergewitter, was meine romantischen Vorstellung fortspülte, sich am Seeufer eventuell etwas näher kommen zu können.
Den ganzen Abend saßen wir schüchtern nebeneinander, redeten, lachten und versuchten gegenseitig den Moment auszuloten, wann es denn nun für weitere Schritte passend wäre. An diesem Abend verhielten wir uns wirklich wie Schulkinder, die das erste Mal mit ihrem Schwarm unterwegs sind. Nachdem der letzte Drink getrunken und die Rechnung bezahlt wurde, beschlossen wir spazieren zu gehen und hier dauerte es wiederum eine gefühlte Ewigkeit, bis wir uns irgendwann vorsichtig an die Hand nahmen, um gemeinsam den Weg um den See weiterzugehen.
Ich fragte mich immer wieder, wann er mich denn mal vielleicht küssen möchte und ging weiter. Wir wollten den besten Moment abwarten, welcher nie vergessen werden kann. Wenn jedoch beide Partner so ticken, kann es echt eine Weile dauern, bis etwas passiert!
Ein zaghafter Versuch auf einem wunderschön gelegenen Bootssteg schlug fehl, weil ich von seinem fehlenden Duft irritiert war, denn ich konnte das mir bekannte Eu de toillette nicht wahrnehmen, worauf er, ohne das ich meinen Gedanken aussprach, antwortete: „Ich möchte nicht, das du dich beim ersten Kuss an irgendeine vergangene Episode erinnerst…!“ Schon fast unheimlich war es für mich gewesen, dass er meine Gedanken las. (Diese Gabe hat er auch heute bisweilen nicht verloren.)
Völlig irritiert drehte ich mich weg und stieg hinab von diesem traumhaften Ort. Wir ließen die Chance ungenutzt verstreichen und spazierten weiter, bis wir einem kleinen, versteckten Strandabschnitt entdeckten, um uns dann endlich bei Mondschein und unter dem Geräusch eines über die Brücke fahrenden Güterzuges zu küssen. Es blieb an dieser Stelle dabei, denn unser Umfeld war durch das Sommergewitter mächtig aufgeweicht, so wie meine Knie….
Nur noch wenige Stunden trennten uns vom nächsten Arbeitstag, der noch einiges von uns abverlangte, bevor ich wieder in mein ungeliebtes Ruhrgebiet zurückfuhr. Dort angekommen kämpfte ich noch eine Weile mit mir, bevor ich meinem Mann die Karten offen auf den Tisch legte.
Ich wollte mein weiteres Leben auf keinen Fall noch einmal auf einer Lüge aufbauen, egal wie es nun mit uns beiden weiter gehen würde. Ich beichtete ihm alles und er verließ noch am selben Abend das Haus. Keine Anzeichen für einen weiteren Versuch, kein kämpfen um meine Person – nichts. Heute weiß ich, dass die Zeit für ihn schon lange reif war, diesem ehelichen Schauspiel ein Ende zu bereiten. Es gab nie wieder ein persönliches Gespräch zwischen uns, außer wenn es sich um seine materiellen Angelegenheiten handelte. Alles andere war nicht mehr wichtig. Weder für ihn, noch für mich.
Eine ehemalige Freundin fragte mich damals, was denn in mich gefahren sei und was der Neue denn an sich hätte, das ich alles, aber auch alles hinschmeiße, was ich mir erarbeitet und aufgebaut hatte und was mich dazu bewog, so überstürzt zu handeln?
Meine Antwort war simpel:
Er ist die Verschmelzung all meiner Träume!
Es war für uns beide die „Liebe auf den ersten Blick“, die eigentlich nicht sein durfte, weil wir in unser beider Leben feststeckten. Es war diese eine einzige magische Berührung auf der Tanzfläche, welche uns nachhaltig verzauberte.
Es herrschte jene immer größer werdende Sehnsucht, die letztendlich mit nichts anderem gestillt werden konnte.
Es brannte ein magisches Feuer in uns, welches unglaubliche Kräfte freisetzte, die wir in den kommenden Jahren auch nötig hatten, denn unsere Beziehung war eine sehr lange Zeit alles andere als einfach, da wir beide eine Vielzahl an Baustellen hinterließen.
Es begleitete uns von Beginn an dieser einzigartige Humor, der uns half, über viele Kleinigkeiten hinweg zu sehen und einfach darüber zu schmunzeln.
Und ich bereue keinen einzigen Tag unserer gemeinsamen Zeit, welche oft die Extreme des Lebens offenbarte.
Wir haben uns unsere Harmonie leidenschaftlich erkämpft und arbeiten immer wieder an unserer Beziehung, denn wir kleben nach wie vor aneinander.
Du – die Verschmelzung all meiner Träume – hast mich mit deinem Blick gefangen und mich bis heute festgehalten. Und wenn ich in die Zukunft blicken dürfte, so würde ich gerne gemeinsam mit dir im Alter am Strand spazieren gehen, denn ein guter Sekundenkleber hält für ewig!
😉
Liebe Moni, ich habe „Fest geklebt“ gestern Abend beim Ansitz auf der Jagdkanzel gelesen und habe mir heute das Lied von Anett Lousian angehört. Ich konnte mich dran erinnern, als du mir zum ersten Mal von der Verschmelzung all deiner Träume erzählt hast. Sogar kennenlernen durft ich deinen Lieglingsmenschen. Danach haben wir uns aus den Augen verloren und zum Glück wenigstens hier über deinen Blog und auf Facebook wiedergefunden. Es ist schön von dir zu lesen. Viele Erinnerungen werden wach …
Ich freue mich sehr für dich, dass du damals die richtige Entscheidung getroffen hast und jezt glücklich bist ❤
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