Zum Schuljahresende häufen sich die Termine in unserem Kalender. Wichtige Unternehmungen, wie Klassenfahrten, täglich wechselnde Ausflugsziele, Saisonabschlussfahrt vom Fußballverein und die letzten Auftritte der Musikschule dürfen in unseren Alltag ihren Platz finden. Diese Highlights sollen die Herzen unserer Lieblinge höher schlagen lassen, sie für all ihre Mühen und Anstrengungen belohnen und wertschätzen.
Ich hangele mich in dieser Zeit von einem Tag zum anderen, plane mehr oder weniger gut durchorganisiert, von heute auf morgen. Nur noch wenige Tage bis zum Ferienbeginn. Die Planungen für unseren diesjährigen Kurzurlaub sind noch nicht mal in Gedanken abgeschlossen. Irgendwie läuft das in diesem Jahr alles so nebenbei und ich ertappe mich wieder dabei, das ich mir nicht die Gelegenheit gebe, mein Hamsterrad anzuhalten, um mich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
Zu sehr bin ich wieder mit meinem Alltag, meinem Job und – ja – auch mit meinen Hobby´s beschäftigt. Die Bienchen, das Schreiben, das Fotografieren, unser Garten, Neuigkeiten im Handy checken… All diese schönen Beschäftigungen erkämpfen sich nach dem täglichen Feierabend ihre Daseinsberechtigung. Wenn ich darüber so nachdenke, wird mir bewusst, das sich meine aktuelle Welt eigentlich mehr um mich dreht…
Ich sollte über meine Fußbeschwerden des letzten Blogbeitrag dankbar sein, diese nicht wütend verteufeln, sondern sie als Zeichen sehen, um zwei Gänge runterzuschalten. Denn würde ich (mein Körper) funktionieren, hätte ich eine weitere Aktivität – den Sport, der mir die letzten Lücken in meinem Terminkalender besetzt und dem ich hinterher hecheln würde.
Alle meine Freizeitbeschäftigungen sehe ich als wertvoll an, denn sie machen mich glücklich, jedoch nicht, wenn darunter meine Wahrnehmung für den Rest der Familie leidet. Denn schließlich gibt es da noch unsere Kinder und meinen Mann, welche bildlich gesehen, winkend hinter mir stehen.
Sie winken, weil sie mir signalisieren möchten, das sie auch noch da sind oder weil sie sich gefühlsmäßig von mir verabschieden und dabei vielleicht resigniert denken: „Ja, ja – gehe ruhig. Mach mal wieder dein Ding!“
Währenddessen ich hier sitze und schreibe, sortiere ich mich innerlich neu und werde mir über meinen aktuellen Zustand klar. Ich möchte mal wieder alles unter einen Hut bekommen! Kopfschüttelnd sehe ich mich in meinem gedanklichen Spiegelbild an und teile mir unmissverständlich mit, das dies so nicht mehr vertretbar ist.
Wenn mein Tag die berühmten achtundvierzig Stunden zur Verfügung stellen würde, würde ich auch diese im wahrsten Sinne des Wortes ausnutzen. Ob diese Zeit von mir allerdings tatsächlich für beziehungsfördernden Aktivitäten verwendet werden würde, bleibt letztendlich fraglich. Es ist an der Zeit die Bremse zu ziehen, bevor es zu spät ist!
Die ersten gedanklichen Ansätze verspürte ich vorgestern, als der Termin der Schulabschlussfeier meines „Leihkindes“ anstand. (Solltest du über den Begriff stolpern, so findest du die Erklärung in meiner Kategorie „Über mich“)
Sie stand plötzlich vor mir. Für mich war dieser Augenblick ein gefühlsmäßiger Hammerschlag. Mit einem, oft in Komik-Heften beschriebenen
„Boooom!“
könnte ich meinen Zustand beschreiben. Eine unglaublich hübsche Zaubermaus stand vor mir. Ihre hohen, schicken Schuhe ließen unser großes Mädchen noch erwachsener wirken. Als stille Beobachterin nahm ich alles ganz bewusst wahr, saugte es auf und konnte jedem gesprochenen Wort uneingeschränkt folgen. Kein Handy, keine Filmkamera, welche ich in der Vergangenheit bei ähnlichen Anlässen immer bediente, um diese wichtigen Erinnerungen festzuhalten, lenkte mich von dem Geschehen ab.
Vielleicht versteckte ich mich früher unbewusst hinter Videokamera & Co. um meinen, von Tränen begleiteten Gefühlsausbrüchen zu entfliehen. Dieses Mal war es anders. Im Vorfeld hatte ich mich in keinster Weise gedanklich darauf vorbereitet. Es war eben einer der vielen Termine in unserem Kalender der zu erledigen war. Mir war bewusst, das dieser Abend etwas ganz besonderes für unsere Tochter sei, ließ es jedoch im Vorfeld nicht an mich heran.
Und während ich so in dem Publikum von Hunderten Eltern, Familienangehörigen und Freunden saß, schossen all diese Bilder durch meinen Kopf. Zu Beginn der Veranstaltung sah ich vor meinem gedanklichen Auge meine eigene Tochter, welche vor fünfzehn Jahren in ihrem weinroten, engen Abendkleid mit Hochsteckfrisur auf der Bühne der Realschule stand. Sie hatte denselben Gesichtsausdruck wie unser, nun vor mir stehendes, „Bubchen“. So nannte sie mein Mann immer früher, als sie noch ganz klein war. Um sie geht es mir in meinem heutigen Beitrag ganz besonders.
Dieses Jahr wurden Schüler aus sechs Schulklassen in die nächste Lebensetappe entlassen. Die Veranstaltung wurde zweigeteilt. Unsere Familie durfte im vorgegebenen, zweiten Zeitfenster erscheinen.
Ganz besonders freut mich der Umstand, das ich von „unserer Familie“ sprechen darf. Denn wir gehören zu den wenigen Trennungsfamilien, welche einen freundschaftlichen, entspannten und herzlichen Umgang miteinander pflegen.
Sicherlich gibt es auch bei uns Kleinigkeiten, die den anderen vielleicht stören könnten. Eigenschaften des Gegenübers mit denen man gelernt hat, im Laufe der Jahre umzugehen. Besonders bemerkenswert ist allerdings immer wieder jenes blinde Verständnis, mit welchem sich die beiden Männer unserer Patchworkfamilie begegnen. Momente des sich gegenseitigen, schmunzelnden Zuzwinkern beobachte ich nicht selten.
Ich sitze also in einer Stuhlreihe von Familienmitgliedern, während mein Mann alles per Video aufnahm. Unsere Söhne ließen sich drei Plätze rechts von mir nieder und so konnte ich ganz still und leise, mich auf mich selbst konzentriert und meine Gedankenwelt kreisen lassen.
Von rockigem Sound begleitet, zogen alle Schüler in die Aula ein. Mein bis dahin abgeklärter Gemütszustand veränderte sich schlagartig. Früher nahm ich die männlichen Schüler der Abschlussklassen als noch sehr knabenhaft wahr. Vorgestern erhielt ich einen neuen Eindruck. Die Mehrheit der Schüler schritten groß gewachsen und sehr männlich wirkend an uns vorbei. In wenigen Jahren sind unsere letzten Söhne an der Reihe, dachte ich melancholisch.
Eine Vielzahl von weiblichen Schönheiten, herausgeputzt und strahlend, schwebten förmlich an uns vorbei. Die meisten stolz und glücklich wirkend, aber auch selbst emotional tief berührt. Dieser Zustand allein wirkte auf mich schon sehr ansteckend.
Ich saß einfach nur da, trocknete mir mit meinem Taschentuch die verwischte Wimperntusche und lauschte den tollen Ansprachen von Lehrern, Schülern und der für mich gewöhnungsbedürftig, wirkenden Schulleitung, welche auf mich durch ihre äußerliche Erscheinung nicht gerade an eine Direktorin erinnerte.
„Besondere Ereignisse bedürfen einer wertschätzenden und respektvollen Kleidung!“, finde ich. Sie hingegen strahlte für mich in ihrem „Schlabberlock“ eher eine chillige Sofaatmosphäre aus. Ihre Abschlussrede empfand ich allerdings als sehr ansprechend und tiefgründig. Also habe ich mich mal wieder vom äußeren Erscheinungsbild verunsichern lassen.
Bemerkenswert empfand ich auch die Beobachtung, das die jeweiligen, vorgestellten Klassen zu den dazugehörigen Lehrertypen passten, was wieder einmal belegt, das unsere Pädagogen, gerade in den wichtigen pubertären Entwicklungsphasen einen nicht zu unterschätzenden, prägenden Einfluss ausüben.
Jede Klasse für sich wirkte positiv einzigartig. Und die am Rednerpult angesprochenen, bildlichen Vergleiche zum „bunten Miteinander“ dieser letzten Jahre spiegelten sich auf dieser Bühne wieder. Aus den damaligen Siebtklässlern haben sich bemerkenswerte, individuelle und wertvolle Persönlichkeiten entwickelt, welche nun mehr oder weniger aus ihrem Nest geschubst werden.
Der eine oder andere wird sich zukünftig an die oft so beklagenswerte Schulzeit zurück erinnern und rückwirkend feststellen, wie schön diese Zeit doch eigentlich gewesen ist. Wird sich den inspirierenden Teamgeist, die tollen und lustigen Einfälle mancher Schüler zurück wünschen und die oft geführten Diskussionen über das „Sein oder Nichtsein“ im künftigen Berufsleben vermissen. Andere werden weiterhin die Schulbank drücken, um noch das beste aus sich heraus zu kitzeln.
Ob es letztendlich der richtige Weg ist, wird sich erst im Nachhinein herausstellen. Im Leben werden dir oftmals die Wege vorgegeben, diktiert oder auferlegt. Ob es der richtige Weg ist, entscheidest du letztendlich für dich selbst.
Der einzig richtige Lebensweg ist der, welcher dich glücklich macht!
Egal, wie lange es dauert, bis dieser Weg gefunden wird. Sei dir dessen immer bewusst. Du sollst dich dabei wohl und ausgefüllt fühlen. Und sei dir darüber im Klaren, das sich diese Wege immer wieder ändern können, müssen und auch dürfen. Es ist nie zu spät und jede Lebensphase hat seinen Sinn. Aus jeder Etappe nimmst du etwas mit.
Meine liebste Stieftochter, (auch wenn ich dieses Wort nicht so gerne verwende)
ich erinnere mich noch genau an den Augenblick, als ich dich aufgeregt in der Miniküche der Übergangswohnung deines Vaters erwartete.
An jenem Tag sollten wir uns das erste Mal begegnen. Ich denke zurück an den Moment, als er strahlend, mit dir auf dem Arm, im Flur stand und ich in ein neugieriges, kleines Gesicht mit großen Augen sah, um dich zu begrüßen. Unter meinem Pullover hatte ich meine Lieblings-Diddl-Maus versteckt, welche ich dir zur Begrüßung schenkte, denn sie wollte unbedingt zu dir, weil sie es bei mir mittlerweile zu langweilig fand. Mein Gefühl zu dir von damals hat sich nie geändert.
Es war Liebe auf den ersten Blick, ähnlich wie bei deinem Papa. Nur mit dem Unterschied, das ich mich nie wirklich traute, meine Gefühle dir gegenüber in vollem Maße zu zeigen. Aus Rücksicht, gegenüber deiner Mama, hielt ich mich all die Jahre im Hintergrund, denn ich gehöre in die zweite Reihe, was völlig in Ordnung und auch richtig ist. Trotzdem durfte ich deine Freundin sein, mit der man manchmal etwas Verrücktes anstellen kann. Ich durfte die Rolle der abenteuerlichen, spontanen Moni übernehmen. Unser letztes Abenteuer war das „Londoner Wochenende“, welches wir beide wohl nie wieder vergessen werden. 😉
Du bist der Grund für unseren heutigen Wohnort. Denn nur wegen dir sind wir vor zehn Jahren hier eingezogen. Dir sollte der Kontakt zu deinem, dich über alles liebenden Vater, wann immer du wolltest, ermöglicht werden.
Und ohne die liebevolle Toleranz deiner Mutter wäre dies nicht umsetzbar gewesen.
Im Laufe deiner Entwicklungsstufen sind die gegenseitigen Besuche weniger geworden. Deine Interessen haben sich verändert, was völlig normal ist. Unsere beiden Familienalltage ließen und lassen nicht viel Raum für ein gemeinsames Miteinander übrig.
Und doch hoffe ich, das du dich immer bemerkbar machen wirst, wenn du Aufmerksamkeit benötigst. Du hast das gleiche Recht, wie all deine Geschwister und Halbgeschwister.
Ein Recht
- auf offene Ohren
- auf Zuwendung
- auf Aufmerksamkeit und
- auf Zeit für dich.
Bitte nimm sie dir und fordere diese ein. In einer Familienkonstellation wie der unsrigen ist es zwingend erforderlich, sich bemerkbar zu machen und sich zu melden, wenn´s brennt.
Du bist ein rücksichtsvolles, liebenswertes und soziales Mädchen – entschuldige – mittlerweile eine junge Frau! 😉
Du bist eine wunderbare Persönlichkeit, die sich tiefsinnige Gedanken um andere macht. Dich als Freundin zu haben ist „Gold wert“. Ich durfte dich vorgestern beobachten. Ich sah eine lustige, glückliche und ausgelassene Maus vor mir, welche sich mit ihren Mitschülern auf der Party amüsierte. Befreit aus ihren familiären Schubladen, in denen wir doch alle irgendwie stecken.
Und es stimmte mich unglaublich glücklich, dich sorgenfrei zu sehen. Wenn ich dir etwas mitgeben darf, dann ist es dieser Wunsch für dich:
- Bleibe im Wesen genauso, wie du bist.
- Versuche dich ein wenig mehr um dich selbst zu kümmern.
- Sorge dafür das du glücklich bist!
- Lasse dir den Druck nehmen und verteile ihn auf mehrere Schultern. Du musst nicht alles alleine bewältigen. Wir sind alle für dich da!
Auch wenn die erwachsenen Personen deiner Familien immer viel um die Ohren haben. Sei dir sicher – sie lieben dich alle sehr und möchten nur dein Bestes!
Sei glücklich und male dir dein Leben in deinen Lieblingsfarben an, so wie es euch in eurer Schulabschlussrede vermittelt wurde. Denn genau so ist es.
Das Leben ist ein weißes Blatt Papier, das nur darauf wartet von dir beschrieben zu werden!
Ich liebe dich und bin mächtig stolz auf dich, wie du bist und was du sein wirst. Egal für welchen Weg du dich entscheiden wirst. Denk immer daran. Du bist genau richtig!
Deine geliehene Mum auf Zeit!
Ach was hab ich schön geheult beim Lesen deiner Zeilen an dein Leihkind. Zeilen für die Ewigkeit. Zeilen voller Wärme. Zeilen zum Schweben.
LikeLike