Wozu habe ich Söhne!

…zum Einkaufstaschen schleppen, zum Rasen mähen, für die Reinigung meines Fahrzeugs, zum Staub saugen, den Müll raustragen, Holz stapeln…

Diese Aktivitäten gehören nicht unbedingt zu ihren Lieblingsbeschäftigungen, jedoch wenn ich Glück habe, könnte das eine oder andere, je nach ihrer Laune schon mal umgesetzt werden.

Heute geht es mir jedoch nicht um das Thema Haushalts- oder Gartenhilfe. Das greife ich bestimmt auf, wenn ich mal wieder den Kanal voll habe. Mit „Kanal“ ist nicht der ein Alkoholpegel gemeint, sondern mein sich stetig veränderndes Nervenkostüm gegenüber diesem nervigen, sich ein Leben lang wiederholenden Alltagsthema.

Heute erzähle ich etwas über sportliche, testosterongeladene Mutter-Sohn-Beziehungen.

Wie ihr bereits in meinen Beiträgen lesen konntet, liebe ich sportliche Aktivitäten, sofern sie mir guttun, sie mich glücklich machen, sie meine überzähligen Kalorien verbrennen und sie mich nicht in gnadenlosen Platzierungskämpfe verwickeln.

Ich laufe nicht gerne jemanden hinterher und möchte auch nicht unbedingt von anderen getrieben werden. Also sollte ich mich irgendwann einmal zwischen hunderten von Marathonläufern wiederfinden, ist meine persönliche Grundeinstellung manipuliert worden.

Sobald ich spüre, das ich mit meinen Gleichgesinnten nicht mehr mithalten kann, erwacht mein inneres Kind und brüllt mich an: „Das schaffst du doch eh nicht! Lass es doch besser sein!…“ und schon spüre ich Erschöpfungszustände wie z. B.  Atemlosigkeit und gebe kurzerhand auf. Aus diesem Grund sieht man mich meistens alleine durch die Gegend laufen. Ausnahmeregelungen gelten beim Nordic Walking und schwimmen.

Wenn ich allerdings mit meinen Söhnen Sport treiben darf, ist es etwas anderes. Hier geht es vielmehr um familiäres Beisammensein und um meine Gelegenheit, ihnen mein ehrlich gemeintes Feedback geben zu dürfen.

Denn wenn sie eines richtig gut drauf haben, dann ist es Sport im Allgemeinen. Sie leben und lieben es alle drei, sich immer wieder zu messen, zu vergleichen, sich neuen Herausforderungen zu stellen und ihre Körper an ihre Grenzen zu bringen. Bei den meisten Geschöpfen der männlichen Gattung geht es um das „SICH MESSEN“. Egal in welchen Lebensbereichen.

Wer ist der bessere? Wer liegt vorne? Wer ist der Erste? Wer der Stärkste? Es ist völlig normal und gehört in unserer Menschheitsgeschichte einfach dazu. Und meine drei Ableger haben bei der Verteilung von Bewegungsdrang zehn Mal „HIER“ geschrien.

Wenn ich mir ab und an auch eine ruhigere Atmosphäre wünschen würde, so bewundere ich andererseits auch ihre leidenschaftliche Art sportlichen mit- und gegeneinanders.

Zugegebener Maßen läuft es jedoch sinnvoll und harmonisch ab, wenn ich jeweils nur eine Sportskanone mit zum Joggen nehme, da sie sich sonst gegenseitig konkurrieren und ich meistens nur damit beschäftigt bin, ihren Diskussionen beizuwohnen oder die sich daraus entwickelnden Differenzen zu schlichten.

So wie vorgestern Abend. Denn weil sich unser Jüngster auf der Klassenfahrt befand, willigte mein zweiter männlicher Sprössling sofort auf meinen Vorschlag ein, mit mir laufen zu gehen. Besondere Begeisterung erntete ich, als ich ihm den heutigen Trainerauftrag erteilte. Auf meine Frage:

„Möchtest du mich heute trainieren? Du kannst bestimmen, wo es lang geht und wie weit unsere Strecke ausfallen wird? Hast du Lust drauf?“

Mit leuchtendem Blick ertönte von ihm sofort ein: „Hey, cool – ja. Lass uns gleich los – ok? Ich zeig dir dann meine Laufstrecke, welche wir immer mit dem Fussballverein laufen. Mit Knie-Hebel-Lauf und so…. – Komm – beeil dich mit dem Klamotten anziehen!“

„Wenn ich ihn doch nur auch von anderen Dingen so schnell überzeugen könnte!“, dachte ich bei mir, als ich die eben besorgten Lebensmittel in den Schränken verstaute. Denn als wir zur heutigen, letzten Konzertprobe aufbrachen, saß ein weniger motivierter Junge neben mir auf dem Beifahrersitz. Nun gut – ich beeilte mich und wir zogen los.

Schon nach einigen hundert Metern, spürte ich die ersten Kämpfe meines Körpers, der mir bildlich den Vogel zeigte. Hatte er sich doch die letzten Monate bis auf ein, zwei lockere Runden ausruhen dürfen und sich entspannt um die Einlagerung der überschüssigen Fettreserven kümmern können. Damit sollte jetzt Schluss sein! Mein X-ter Kampf gegen diesen Ruhezustand hat hiermit begonnen, dachte ich.

Meine Aufmerksamkeit galt in den folgenden Minuten meinem Sohn, der sich enthusiastisch um mich kümmerte und mir sämtliche Arten der Fortbewegung präsentierte. Im Wechselschritt, springend, rückwärts hüpfend, sich locker über Gräser schwingend trabte er neben mir her. Glücklich und über beide Wangen grinsend sagte er mir in seiner Tenniesprache, wie „Nice“ er es findet, mal etwas mit mir alleine unternehmen zu können, was ihm wirklich Spaß macht! Ich nenne es ab sofort „special time“ mit mum.

Das sich nach etwa einem Kilometer wieder meine Ferse mit stechenden Schmerzen meldete, ignorierte und verdrängte ich absichtlich. Zu schön war diese Zeit und ich wollte ihm die Freude nicht nehmen.

„Mama – wir sprinten den Berg dann mehrmals hoch – ok? Im Training muss ich das auch bis zu zehn Mal schaffen. Wenn ich das hinkriege, darf ich vielleicht in die andere Mannschaft, sagt mein der Trainer.“

Als ich ihm mit nicht mehr so lockerer Stimme mitteilte, das ich froh sei, wenn ich diese Steigung wenigstens zweimal bewältigen würde, ließ er es herzerfrischend und selbstbewusst krachen, während er neben mir siegessicher dahin tänzelte:

„Schwabbel oder Training Mama? Du willst doch dein Schwabbel loswerden – oder? Also Training!“

Ich musste herzhaft über diese, mir bis dato, unbekannte Wortwahl lachen. Aber es kam ihm unglaublich spontan über die Lippen. Der typisch ehrliche Kindermund, den ich so sehr schätze!

Die wenigsten meiner Freunde würden es in dieser Art und Weise ausdrücken. Von einigen würde allenfalls ein: „Ach was – so schlimm ist es doch gar nicht!“ zu hören sein. Ein Widerspruch zu dem mir entgegen leuchtenden, digitalen Ergebnis meiner Personenwaage. Diese Zahl lässt in mir alle Signale auf AKTIV WERDEN aufleuchten.

Ich weigere mich einfach dagegen, bald eine acht vor der Null abzulesen. Viel fehlt nicht mehr. Wäre ich einen Meter neunzig groß, wäre es nicht so tragisch, jedoch endete mein Wachstum vor zweiunddreißig Jahren bei knapp über siebzehn Dezimetern. Und es ist mir wurscht, das doch in meinem Alter eine Gewichtszunahme völlig normal sei. Ich werde mich mit diesen Folgen NOCH nicht abfinden!

Es reicht schon, das sich (wohl bemerkt immer nur) männliche Wegkreuzende Kommentare, wie „Das ging ja schon mal schneller!“ oder „Nicht gerade zügig!“ von sich geben. Vorgestern überholte uns ein älterer Herr mit dem Fahrrad und murmelte dies in seinen nicht vorhandenen Bart. Die Damenwelt hat mich in den letzten Jahren noch nie mit Klug…-Sätzen beim Joggen belästigt.

Nachdem ich drei Anläufe des Hügels bewältigt hatte, bat ich meinen zehnjährigen um ein lockeres weiterlaufen der restlichen Strecke. Nicht nur meine Ferse rebellierte mächtig, sondern auch meine Kondition verkraftete dieses ungewohnte sprinten nicht mehr so gut wie vor einem Jahr, was mir wieder bestätigte, das ein konsequentes Durchhaltevermögen sinniger gewesen wäre, als mit der Anmeldung im Fitnessstudio das Laufen an sich, einzustampfen.

Zugegebenermaßen gehöre ich nämlich zu der Sorte „Studiosportler“, welche ihre Mitgliedschaft, anders als im letzten Herbst geplant, nur auf dem Papier praktizieren. Würde ich heute die Eingangstür zum Fitnesscenter betreten, könnte ich mit einer Begrüßung als Neukundin rechnen.  😉

Während wir so locker nebeneinander herliefen und ich mittlerweile dasselbe Tempo wie beim Walken erreichte, sah ich meinen vor mir laufenden Teenie an und erinnerte mich an unseren zweiten Toskana-Aufenthalt. Letzten Sommer joggte ich mit meinem erwachsenen Sohn durch die Hügel des Chianti Gebiet. Schmunzelnd muss ich daran denken, wie er sich liebevoll meinem Schneckentempo anpasste und mir Mut zusprach, als ich mit den zu bewältigenden Anhöhen kämpfte.

Auf unserem gemeinsamen Rückweg rannten wir gemeinsam die serpentinenähnlichen Landstraßen hinunter und ich fühlte mich in meine Kindheit zurückversetzt, in jene Zeit, in der ich noch leichtfüßig mit Freunden um die Wette rannte, fangen spielte und mir dabei der Wind ins Gesicht blies. Während dieser Laufrunde durch die Chianti Berge begleiteten uns in der Abenddämmerung eine Vielzahl von Fledermäusen, die immer wieder über, vor und hinter uns her flogen. Ein einzigartiges Erlebnis, welches ich in dieser Weise zum ersten Mal erleben durfte.

Am Ziel und Ende meiner Kräfte angekommen, sprangen wir mit Anlauf, in voller Montur, direkt in den Pool unseres Feriendomizils. Ich bin glücklich, das ich mich mit ihm gehen lassen durfte und das er mich nicht als peinlich empfand. Gerade in jenem Urlaub war es mir wichtig, ihn bei mir haben zu dürfen und ich danke ihm an dieser Stelle für sein offenes Ohr, welches er mir immer wieder schenkte.

Meine stechende Ferse rüttelte mich aus meinen Tagträumen und ich stellte fest, das sich der Abstand zu meinem, dem Großen sehr ähnelnden Sohn vergrößerte. Vor uns lagen die letzten fünfhundert Meter der fünf Kilometer Strecke, welche ich nur noch sehr langsam hinter mich brachte.

Zumindest wirkte mein Drittgeborener auch geschafft, was mich beruhigte. Dies könnte bedeuten, das mein Plan – nur noch duschen und ins Bett gehen – vielleicht funktionieren würde…

Nach einigen umgesetzten Ideen, was er denn noch alles erledigen müsse, fiel er letztendlich doch noch müde ins Bett. Meine Entspannungszeit konnte beginnen, jedoch schlief auch ich vorgestern Abend ziemlich schnell ein. Doch leider währte mein Nachtruhe nicht lange.

Drei Stunden, bevor mein Wecker klingeln sollte, erwachte ich von einem Dauerschmerz im linken Fuß und dachte mir: „So ein Mist! Selbst Schuld! Eigentlich müsstest du es doch wissen! Erst ewig nichts tun und dann gleich wie eine Begaste loslegen!“

Der von mir ignorierte, gestrige Schmerz rächte sich nun heftigst. Da ich in diesem Zustand bestimmt nicht so schnell wieder einschlafen würde, nutzte ich die Zeit, um meinen benachbarten Freunden per WhatsApp eine Nachricht zu senden. Denn ohne deren dort lagernde Krücken könnte ich am nächsten Morgen keineswegs aufstehen.  Blöd gelaufen! Im wahrsten Sinne des Wortes.

Der Morgen verlief wie erwartet. Ich hatte keine Chance „Fuß zu fassen“. Und die Zeiten, das ich über einen längeren Zeitraum einbeinig durchs Haus hüpfen könnte, sind schon lange vorbei. Ich war wütend und ungeduldig mit mir selbst, da ich in den letzten Wochen schon zweimal wechselseitige Klumpfüße durch hintereinander eingesammelte Bienenstiche hinnehmen musste.

Bienenstiche, welche ich nicht beim Imkern erhielt, sondern während ich meine Rosen goss und während ich barfuß über den Rasen lief.

Muss ich jetzt eine weitere Zeitverschiebung hinnehmen, bis ich endlich meinem Lieblingssport durchziehen darf?

Missmutig schob ich mich am frühen Morgen mit den Gehilfen durch unsere Wohnräume und nahm dankend das Angebot einer Freundin an, mich von ihr zum Orthopäden befördern zu lassen. Dort kam ich zügig an die Reihe und durfte mir die berechtigten Hinweise des Facharztes einholen.

Als Hobbysportler weiß ich auch, das Muskulaturdehnungen vor und nach dem Sport wichtig sind. Nur wird dies von mir so gut wie nie umgesetzt. Und vorgestern schon gar nicht. 😦

Folgenden ausgesprochenen Vergleich, welchen er mir erläuterte, soll hier nicht unerwähnt bleiben:

„Das Sie trotz dem stechenden Schmerz in ihrer Ferse weiter gelaufen sind ist dasselbe, als wenn sie ihr blaues Auge zwar kühlen, aber dennoch sich immer wieder Eins drauf geben lassen! Diese Reizung kommt von verkürzten Wadenmuskeln, welche sich im Laufe der Zeit durch versäumtes Dehnen entwickelt haben. Diese Verkürzung reizt und zieht an Sehnen und Bändern und die Folge dessen kann Ihr Schmerz sein. Das nächste Mal sollten Sie bitte die Signale Ihres Körpers wahrnehmen! Heute beginne Sie bitte die Ibu-Kur und schonen sich noch ein paar Tage…“

Einigermaßen beruhigt lief ich im Krücken-Schneckentempo in Richtung S-Bahn und genauso lahm vom Heimatbahnhof nach Hause. Auf diesen Wegstrecken konnte ich mich sehr gut in die ältere Generation, welche Gehhilfen benötigen hineinversetzen.

Geduld ist die Eigenschaft, welche ich bei der Verteilung wohl abgelehnt haben muss. Es half jedoch nichts, also begann ich meinen Heimweg aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Mir fielen schon ewig stehende Gebäudeteile auf, die ich vorher nie bemerkte, konnte bei diesem Tempo vielerlei Krabbeltiere am Wegesrand beobachten und nahm so manche Kommentare der von mir bekannten Passanten in Kauf.

Die Möglichkeit einer Flucht blieb mir unter diesen Umständen verwehrt. Jedoch über eine Äußerung freute ich mich an jenem Mittag sehr. Ein lieber Bekannter rief mir über die Straße zu: „Vielen Dank für die Befruchtung – unserer Pflanzen! Ich habe auch schon einige eurer Bienen aus unserem Pool gerettet!“

Schmunzelnd schlich ich um die Ecke unserer Straße und war froh, endlich die Türe hinter mir, von innen schließen zu dürfen.

Der gestrige Tag verlief für meinen einzig anwesenden Sohn doch noch etwas unbequem, da ich zu einigen Erledigungen nicht in der Lage gewesen bin und ihn deshalb um seine Unterstützung bat. Wozu hat man Söhne?

Heute Morgen lief alles wieder wie gewohnt – die Ibu-Kur schlägt an, mein Schmerz vergeht recht zügig und die Uhr meiner Ungeduld darf wieder ticken.

Bald geht s endlich richtig los –  allerdings unter Berücksichtigung meiner Gesundheit – Step by Step in Richtung Wohlfühlgewicht …