Begegne dem Wahnsinn mit der Vorbeuge

…Am liebsten wäre ich schreiend aus dem Haus gelaufen, um mich irgendwo in eine ruhige Ecke zu verkriechen und mich wieder zu erden!…

Folgende Ereignisse reihten sich heute wiederholt aneinander, das ich mich allen Ernstes fragte, ob es an meiner Aura liegt oder ob Klebstoff an unseren Fingern haftet.

Ich stehe morgens ganz entspannt auf, wohl bemerkt pünktlich (was bei mir eher seltener der Fall ist), schlendere entspannt durch unsere Wohnräume, um wie immer unsere Jalousien zu öffnen, zu lüften, blicke freudestrahlend auf den erstmals, verschneiten Garten und rufe auf dem Rückweg ins Bad meinen Jungs zu: „Kinder, schaut mal aus dem Fenster – es hat geschneit- jetzt könnt ihr endlich Schnee schieben!“

Da wir in den letzten Jahren nicht gerade mit Schneemassen überhäuft wurden, gaben meine Jungs richtig Gas, sprangen nach einer Katzenwäsche in ihre Klamotten und verzichteten auf ihr Frühstück um mit Schneeschaufel und Besen bewaffnet vor die Haustür zu laufen. Super!, dachte ich mir und rief ihnen nach, das ich mich dafür jetzt gleich um ihre Vesper für die Schule kümmere und sie das heute nicht selbst erledigen brauchen.

Der Blick auf die Uhr bestärkte mein Gefühl, noch genug Zeit für meinen morgendlichen Badezimmeraufenthalt zu haben. Juhu – ich habe heute das Waschbecken für mich alleine und werde von meinen Kindern nicht wieder von rechts nach links geschoben! Wir hätten uns eben doch für ein Doppelwaschbecken entscheiden sollen. Egal.

Ich öffnete die Spiegeltür des Aliberts, um nach den, ganz oben liegenden, Ohrenstäbchen zu greifen. Diese stehen unter dem Behälter für Nagelfeile & Co. Jedenfalls zog ich ungeschickt an beiden Schachteln und der Inhalt der ersten, sowie auch der zweiten Box fiel mir entgegen und verteilte sich weitläufig im ganzen Raum.

Wer schon mal Streichhölzer, Stecknadeln oder Reißzwecken einsammeln durfte weiß, das auch das Aufklauben von Ohrenstäbchen nervig sein kann. Ich räumte es entspannt beiseite und ging in die Küche, um dort mit den Frühstücksvorbereitungen zu beginnen. Während ich Brote schmierte und Gemüse schnitt, durfte ich unfreiwillig meinen Jungs lauschen, welche energiegeladen ihre Schneeräumstrategien diskutierten. Ich befüllte die Metallflaschen mit der heute gewählten Kombination aus Kirschsaft und kohlensäurehaltigem Wasser, was ich später bereute. Darauf komme ich gleich zurück…

Während ich Getränke und Brotbehälter auf den Tisch stellte, öffnete mein Jüngster die Tür des ungeliebten Hängeschrank der Küche, dessen Inhalt an einen Recyclinghof für noch irgendwann zu verwendende Gegenstände erinnert. Er fischte mit seinen Fingern einen Schmierzettel aus dem, dafür vorgesehen, Kasten und zog dabei unwillkürlich auch mein, mit Nagelöl befülltes, Glasfläschen in die Tiefe, welches sogleich in klitzekleine Glassplitter zersprang und sich samt dem schmierigen Inhalt in der ganzen Küche verteilte. Nagelöl auf meinem Küchenfußboden! Ich stand mit geöffnetem Mund, völlig ruhig neben ihm und blickte auf das Elend.

„Oh Mama, das tut mir leid. War das teuer?“ Nein, mein Schatz – um den Preis geht es mir gerade nicht, aber die Scherben und das Öl lassen mich jetzt doch etwas verzweifeln, sagte ich während ich mir mit meinem Mann die Zewa-Rolle teilte, um der Lage irgendwie Herr zu werden.

Erst gestern hatte ich diese Rolle in der Hand, weil ich die Hälfte meines frisch gequirltem Rührei neben die Bratpfanne goss und sich die klebrig, schmierige Masse vom Kochfeld über die, mit Schubladen ausgestattete Schrankfront bis auf den Fußboden ausbreitete. So was Blödes! Nicht schon wieder! Jetzt rennt mir doch langsam die Zeit davon und gleich wird mein erstes Tageskind gebracht!; dachte ich mir beim Aufwischen. Mit leicht erhöhtem Puls, stellte ich auf den Weg zum Staubsauger fest, das mein Sohn wohl versehentlich mit seinem Fuß ins ausgeschüttete Nagelöl gestiegen sein muss, denn im Gegenlicht schimmerten überall kreisrunde, glänzende Flecken auf den Fliesen.

„Zieh dir schnell die Socken aus, um dir sofort Neue aus dem Schrank zu greifen!“, höre ich mich rufen. Langsam kippte der familiäre Stimmungspegel in Richtung Stress und Hektik um. Der Plan, das die Kinder zu Fuß in die Schule gehen, wurde geändert und mein Mann saß in den Startlöchern um die beiden mit dem Auto zu befördern. Als der letzte von den dreien die Türe schließen wollte, rief ich meinem Großen noch hinterher, ob er seine Sportsachen gepackt hätte.

Nein. Hatte er nicht. Also rannte er wieder zurück und weil sich seine Sportschuhe noch im Schuhschrank befanden und er bereits matschige Schuhsohlen hatte, entschied er sich selbstständig dazu, auf allen Vieren, diesen Schrank zu erreichen. Süß – er möchte keinen Dreck hinterlassen und erinnert sich daran, dachte ich mir.

Er krabbelte dieselbe Strecke zurück, bückte sich noch mal unter die Treppe, um sich bei unserem Hund zu verabschieden. Und plötzlich zischt es merkwürdig und mit diesem Geräusch spritzte auch schon die Kirschschorle aus der zugeschraubten Metallflasche heraus.

Da er sich im selben Augenblick umdrehte und diese Flasche in der rechten Außentasche seiner Schulmappe steckte, sprühte die rote Flüssigkeit einmal rundherum über mein Gesicht, mein Oberteil, über die Treppe, die Eingangstür mit Glasfront, den Spiegel, die Möbel,Fußboden und die weiß gestrichene Wand.

Denselben Gesichtsausdruck von schlechtem Gewissen habe ich doch vorhin erst gesehen! Nur eben bei meinem anderen Sohn. Mir fehlten wieder die Worte, als er sich bei mir entschuldigte. Ruhig sagte ich zu ihm (was nicht meine Art ist), das die Flasche beim Krabbeln zu sehr durchgeschüttelt und diesen Druck nicht mal mehr der Schraubverschluss zurückhalten konnte, und verabschiedete mich schnell von ihm, weil unser Familienwagen bereits mit laufendem Motor vor dem Tor stand.

Ich wollte die Türe gerade schließen, um mich diesem Schlamassel unter und hinter mir zu widmen und entdeckte beim Aufschauen den Vater meines Tageskindes, welcher mir sein Kind übergeben wollte. Ich atmete tief ein ,um mich kurz zu sammeln und entschuldigte mich mit dem Satz. „Es tut mir leid, aber heute ist ein etwas chaotischer Morgen.“

Ein paar Minuten später beruhigte ich mich und dachte über diesen Start in den Tag nach. Der Druck, unsere Küchenschränke mal wieder gründlich abzuseifen, den Inhalt mancher Schränke übersichtlicher zu gestalten und das Streichen unserer Wände mal wieder in Angriff zu nehmen, ist jedenfalls mit dem heutigen Tag gestiegen. Verblüfft war ich über mich selbst. Mit ähnlichen Situationen bin ich bisher weniger entspannt umgegangen.

Sollte das an meinem begonnenen Yogakurs liegen, von dem mich meine Freundin überzeugt hatte? Schmunzelnd treffe ich mich seit ein paar Wochen regelmäßig mit Gleichgesinnten und probiere Heuschrecken, Hunde, Schmetterlinge und die Vorbeuge aus, welche dich Geduld üben lässt und deine Kreativität und zwischenmenschliche Beziehungen aktiviert.

Zwischenmenschliche Beziehungen? Na – das passt doch bestens zum Inhalt meines Blogs! In diesem Sinne – Gute Nacht für heute 😉

Oh weh …. guten Morgen wäre wohl besser. Ist ja schon so spät.

Heute Abend gibt´s Teil 2 meines versprochenen Beitrags – Aus eins mach drei – Männer glücklich!