Zum wiederholten Male fordere ich meine Jungs auf, ihre Hausaufgaben zu beginnen. Nach einiger Zeit fällt mein Blick auf den mit Schulutensilien bedeckten Tisch, an dem zwei hochkonzentrierte Jungs sitzen. Im Raum herrscht absolute Stille!
Zufrieden stellte ich diesen Zustand von himmlischer Ruhe, beim Aufräumen unserer Küche fest. So darf es gerne häufiger sein… dachte ich bei mir. Einige Minuten später sah ich etwas genauer hin, um mit großen Augen festzustellen, das zwischen Federmappe und Arbeitsheften das Tablet lag, auf welchem fleißig geschrieben wurde.
„Ihr sollt eure Hausaufgaben fertig stellen! Was tickert ihr jetzt auf dem Gerät herum? Das war so nicht vereinbart!“ hörte ich mich meckern. „Wieso denn Mama, meine Schwester will mir gerade bei den Hausaufgaben helfen! Ist doch voll cool!…und außerdem bin ich jetzt im Klassenchat eingefügt worden….juhu – schau mal….ich bin endlich dabei!.“ bekam ich als Antwort von meinem, mich anstrahlenden Sohn. Jenen begeisterten Gesichtsausdruck, welchen ich so sehr an Kindern liebe.
Das Mega-Thema „eigenes Handy“ manifestiert sich bei unseren beiden Jüngsten seit Monaten so sehr, das kaum eine Woche vergeht, in der wir nicht mindestens ein bis zweimal diesen großen Wunsch besprechen und weitere Möglichkeiten diskutiert werden, wie sie denn nun doch, meine im Kopf festgelegte Altersgrenze für ein Handy herunterschrauben könnten. Erst kürzlich habe ich bei unseren Freunden bekräftigt, das unsere Kinder auf keinen Fall im Grundschulalter ein eigenes Handy haben werden. „Und dieses Mal ziehe ich es durch! Jawohl! Wenn ich auch sonst hin und wieder von meinen Prinzipien abweiche…hier mit Sicherheit nicht!“ So habe ich es formuliert. Und dies liegt keinen Monat zurück.
Die Argumentation: „Aber die anderen Kinder haben doch auch ALLE ein Handy – nur ICH nicht!“, zieht bei mir nicht, da in den meisten Fällen, dieser Wortlaut bei materiellen Wünschen angewendet wird. Es haben immer andere Dieses oder Jenes und das Empfinden wird in der Welt der Erwachsenen auch nicht automatisch verschwinden.
Jedoch die Tatsache, sich ausgeschlossen zu fühlen, weil man nicht mehr „mitreden“ kann, der modernen Kommunikation durch fehlende Hilfsmittel wie Handy & Co. hinterher hinkt, andere Mitschüler besser informiert sind und für Verabredungen außerhalb des virtuellen Bereiches keine Zeit oder Wille übrig bleibt – diese Tatsache ließ mich nicht los und gab mir den Anstoß zum Umdenken.
Wenn schon kein Handy angeschafft werden kann, dann doch wenigstens die Einrichtung der App auf dem Tablet, um miteinander zu schreiben, dachten wir uns und entschlossen uns für diese Kompromisslösung. Seit ein paar Tagen wird das Ganze von unseren Söhnen in die Praxis umgesetzt. Und wir erfahren nun, wie wichtig unsere fürsorgliche Begleitung und Unterstützung im Umgang mit diesem Medium wird. Zumindest sollten sie über einige Grundsätze aufgeklärt werden.
Wie schnell können z. B. fehlerhaft ausgewählte Icons, zu Texten in Gruppenchats missverstanden werden. Oder gedankenlos geschriebene, kurze Mitteilungen in den falschen Hals geraten. Wie schnell werden, wie auch in der Realität, Grüppchen gegen Einzelne gebildet, weil gerade vielleicht etwas uncool ist oder Befindlichkeiten von Meinungsführern getroffen werden. Für meine Kinder war es jedenfalls eine Gefühlsachterbahn, die sie erst mal hinter sich bringen mussten.
Aus der anfänglichen Begeisterung für diese neue Möglichkeit, miteinander reden zu dürfen, entwickelte sich schnell eine Niedergeschlagenheit mit schlechtem Bauchgefühl. Meinem traurigen Sohn zu erklären, das niemand der Chatteilnehmer, seine Gedanken lesen kann und das keiner seine humorvolle Mimik sieht, wenn er etwas schreibt und somit auch den wahren Inhalt oder das es eben gerade ein Joke gewesen ist, nicht verstanden werden kann!
Selbst uns Erwachsenen fällt das richtige Formulieren oftmals nicht leicht. Diverse, in WhatsApp, geführte Diskussionen haben schon so manchen Familienchat zerrissen oder Partnerschaften auf die Probe gestellt, weil Texte ungünstig geschrieben oder spaßige Bemerkungen nicht mit passenden Icons gekennzeichnet waren. Oder weil es nun mal verdammt schwer ist, schriftlich seine Gefühle und Emotionen rüber zu bringen.
Unsere Kinder stecken aktuell in einer von vielen, verbalen Lernentwicklungsphasen. Damit meine ich, das sie täglich ihre Position in ihrem Umfeld in persönlichen Auseinandersetzungen erarbeiten müssen und diese auch behalten möchten. Das allein ist schon eine mächtige Herausforderung, die es heißt zu bewältigen. Das Ganze nun in angemessener Textform rüber zu bringen gelingt nur wenigen, sehr guten Grundschülern.
Als Elternteil sitzt du daneben, denkst dir, wie schön es doch ist, das dein Kind jetzt „mitspielen“ darf. Jedoch sind wir, mit dem Augenblick der Aushändigung des Mediums an unser Kind, nicht raus aus der Nummer. Im Gegenteil – jetzt heißt es eine Weile dran bleiben, sie unterstützen, aufklären und einweisen in die komplizierte, digitale Welt. Eine Welt, in der Fehler nicht einfach weggehext werden können.
Im persönlichen Gespräch lässt es sich einfacher erklären, das es gerade nicht so gemeint war, wie es rüber kam. Schreibst du es auf, kann es immer wieder heraus gekramt werden. Egal ob es sich um schriftliche Äußerungen, hochgeladene Fotos oder Videos dreht. Das Netz frisst alles und spuckt es irgendwann, oft zu einem ungünstigen Zeitpunkt, wieder aus.
Keine leichte Aufgabe für uns. Unseren Kindern unmissverständlich die Vor- und Nachteile zu erklären, damit sie selbstbewusst und feinfühlig ihre Handys nutzen werden.
Handys! – Welche Handys?
Noch sind keine angeschafft, aber wer weiß, wie viel Zeit vergehen wird, bis wir diesem Herzenswunsch letztendlich doch nachgeben werden.