…Völlig erledigt, mit verheultem Gesicht steige ich in mein Auto und mache mich mit einem schlechten Bauchgefühl auf den Weg zu meinem Job. Versuche mich abzulenken, schalte das Radio ein – nichts hilft wirklich. Ich kann den Gesichtsausdruck und das Herz zerreißende Weinen meines Sohnes nicht mehr vergessen….
Das war einer jener Morgen, an dem ich meinen Sohn an die Erzieherin unserer Kita übergab. Ich wählte diesen Kindergarten bewusst aus und war von den dort beschäftigten Erziehern wirklich überzeugt. Und trotzdem verunsicherte mich diese Situation. Wird er sich beruhigen? Wie lange wird es dauern? Kommt er ohne mich zurecht? Vor Kurzem blies er seine erste Geburtstagskerze aus. Ganz schön heftig, was ich ihm so zumute, dachte ich mir. An jenem Morgen drückten mich wieder meine typischen Gewissensfragen. Muss ich jetzt schon arbeiten gehen? Ist meine berufliche Entwicklung so wichtig?
Natürlich möchte ich zum Familieneinkommen etwas beitragen und warum sollte mein berufliches Engagement der Vergangenheit angehören? Meine Zweifel übertrug ich unterbewusst auf meinen Sohn. Er spürte, das irgendetwas bei Mami nicht stimmt. Ich gab ihm nicht das Gefühl, das alles, so wie es ist, in Ordnung sei. Und darum geht es mir heute. Was ist meine Aufgabe in dieser Situation?
Ich unterstütze mein Kind, indem ich ihm zeige, wie klasse ich es finde, das er heute in den aufregenden Kindergarten geht. Ich erzähle ihm das er bestimmt gleich liebevoll entgegengenommen wird und er mit seinem Kuschi die neuen Spielsachen entdecken darf. Ich verabschiede mich zügig und verliere in Gegenwart meines Sohnes kein weiteres Wort, wie schrecklich doch die Fahrt zum Kindergarten war und das er die ganze Zeit schon vorher geweint hat. Ich habe den weiteren Ablauf zum Großteil selbst in der Hand. Wenn ich ihm das Gefühl von Sicherheit vermittele, erleichtere ich ihm den Abschied.
Das Gleiche gilt für die beginnende Grundschulzeit. Früher, als ich noch in Bayern lebte, belächelte ich meine sächsische Verwandtschaft, weil sie für ihre Kinder riesige Events zur Einschulung veranstalteten. Als unsere letzten beiden Jungs an der Reihe waren, begeisterte mich genau diese Art des Umgangs mit neuen Lebensabschnitten. Mut machen für das was jetzt kommt, Begeisterung zeigen und Wertschätzung mit einer großen Party vermitteln. Ich erinnere mich noch an den, bei mir, alles bewegenden Denkanstoß zum Thema Hausaufgabenbetreuung. Eine Grundschullehrerin erwähnte in ihrer Begrüßungsrede folgenden Satz:
„Meine Aufgabe ist es, ihr Kind fachlich zu unterrichten und ihre Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, das ihr Kind so lange wie möglich Spaß an der Schule hat!“
Und diese Aufgabe ist bestimmt keine der Leichtesten. Mitgebrachten Ärger auffangen und dessen Ursache gemeinsam herausfinden, trösten und ermutigen. Zumindest versuchen, die häufig wiederkehrende Null Bock Stimmung in einen kleinen Neustart umzuwandeln. Damit hatte und habe ich noch alle Hände voll zu tun. Und die Belehrungen wegen Rechtschreibfehler, langsamen Kopfrechnen oder schlampiger Heftführung sollen doch gerne bitte die Fachkräfte übernehmen.
Wie steht es um unsere Anerkennung und Wertschätzung gegenüber Erziehern, Lehrkräften und Trainern? In wie weit sollten wir uns in die Verantwortungsbereiche dieser Berufsgruppe einmischen? Steht es uns zu über Ausfälle, Personalbesetzungen und Unterrichtspraktiken zu urteilen?
Wie war es vor 20 Jahren, als meine Großen die Schule besuchten? Oder während meiner eigenen Schulzeit – vor 40 Jahren? Meiner Ansicht nach hatten wir zum Großteil echten Respekt vor dieser Berufsgruppe. Und abfällige Bemerkungen über eine Lehrkraft hatten meine Eltern, mir gegenüber nicht geäußert. Im Gegenteil. Es wurde streng vermittelt, was man im Unterricht zu Tun und zu Lassen hatte. Ich persönlich mogelte mich meist um das Weitergeben schlechter Nachrichten herum. Lieber schwindelte ich, was mir jedoch auch nur kurzzeitig half.
Heute fällt mir immer mehr auf, das wir ohne nachzudenken unsere negativen Meinungen, im Beisein unserer Kinder äußern und diese mehr oder weniger öffentlich, mit Hilfe von digitalen Medien diskutieren. Ich vermisse die offenen vier bis sechs Augen Gespräche zwischen den jeweiligen Parteien. Wir können von unseren Kindern keinen respektvollen Umgang erwarten, wenn wir diesen nicht Vorleben.
Ich möchte unsere Kinder zu eigenständigen und selbstbewussten Menschen erziehen. Nicht leicht – jedoch umsetzbar durch unsere Liebe und das vertrauensvolle ABGEBEN in andere Hände!